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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
Autoren: Beatrice Fabregas
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brauchen auch uns. Sie benötigen Essen und Trinken, ein Dach über dem Kopf und Schutz. Wovon wollen sie sich und ihre Familien ernähren, wenn sie keine Arbeit und keinen Herrn mehr haben?«
    Nachdenklich verzog der Kurier den Mund. »Im Prinzip haben Sie recht, Don Pescador. Aber das Prinzip gilt wohl in diesem Falle nicht. Weiß der Himmel, was sich die Nigger vorstellen. Am Ende glauben sie noch, sie wären die neuen Herren auf der Farm. Ich jedenfalls rate im Namen Groths dringend zur Vorsicht.«
    Hermann nickte, dann schickte er den Kurier in die Küche, wo er sich stärken sollte. Er hatte im Augenblick keine Sorgen wegen der Unruhen. Im Gegenteil, er musste, nun, da der Kurier weg war, über dessen Ängste lächeln. Die Schwarzen, Herr im Himmel, wie sollten die sich erheben? Wie sollten ausgerechnet die Schwarzen, die nicht lesen und schreiben konnten, ein neues Land gründen wollen? Lächerlich. Und die paar Zuckerbarone aus dem Osten, die ließen sich sicher mit einer Geldsumme zufriedenstellen.

    »Lass uns aufhören, ich habe genug.« Titine tupfte sich mit einem Spitzentaschentuch den Schweiß von der Stirn. Es war drückend heiß heute, die Kleider klebten ihr regelrecht am Körper. Sie fühlte sich schwach und erschöpft, obwohl sie kaum etwas getan hatte. Ihr Blick glitt über die ausgedehnten Zuckerrohrfelder, die in der Hitze flimmerten. Irgendwo weit draußen wurde Staub aufgewirbelt, stieg als kleine, flirrende Säule in die Luft.
    »Ich möchte aber weiterspielen!« Der kleine Richard verzog weinerlich das Gesicht und stampfte sogar mit den Füßen auf. Titine ließ das Tüchlein sinken und betrachtete das Kind. Seine Augen blitzten entschlossen, der fadendünne Mund war fest zusammengepresst, die kleinen Hände zu Fäusten geballt.
    »Ich habe keine Lust mehr, Richard. Komm, sei vernünftig. Es ist viel zu heiß, um Ball zu spielen.« Titine streckte die Hand nach dem Jungen aus. »Ich bin sicher, Dolores hat Limonade gemacht.«
    Richard verschränkte beide Arme vor der Brust, schob die Unterlippe vor und stampfte erneut mit den Füßen auf. »Du sollst jetzt aber mit mir spielen!«, kreischte er.
    Titine seufzte. Der Kleine sah seiner Mutter sehr ähnlich, und es war, als hätte er einen Teil der mütterlichen Verschlagenheit in sich. Wenn er etwas wollte, so quengelte er so lange, bis er es bekam. Titine musste sich eingestehen, dass sie zu Anfang viel zu viel Mitleid mit dem kleinen Waisenjungen gehabt hatte, doch je älter Richard wurde, umso schwerer kam sie mit ihm klar. Kein Tag verging ohne Streit. Und erst letzte Woche hatte Richard damit angefangen, seine Pflegemutter zu erpressen. »Entweder du kochst mir süßen Reisbrei, oder ich erzähle allen Leuten in der Stadt, dass du mich schlägst.«
    Titine hatte den Jungen noch nicht ein einziges Mal geschlagen, und sie konnte sich auch jetzt nicht vorstellen, das jemals zu tun. Aber sie hatte es versäumt, Richard ein für alle Mal die Grenzen aufzuzeigen. Schlimmer noch: Sie hatte nachgegeben und ihm den gewünschten Reisbrei gekocht. Und das alles nur, weil sie sich in den letzten Wochen nicht wohl fühlte. Fast immer war sie müde, erschöpft, ausgelaugt. Dazu die Übelkeit. Es verging kein Tag, an dem sie sich nicht übergeben musste.
    »Was ist denn nun?« Richard schoss ihr den Ball mit einem kräftigen Tritt vor das Schienbein. »Los, du sollst endlich mit mir spielen.«
    Titine blickte ihn an und konnte ihren Überdruss nur schwer verbergen. Sie wusste, dass Hermann den Jungen nicht mochte. Und wenn sie ehrlich war, dann würde sie zugeben, dass auch sie ihn nicht leiden konnte. Sein spitzes Gesichtchen war verschlossen wie eine Kellertür. In seinen Augen blitzte die Wut, und Titine konnte sehen und hören, wie er mit den Zähnen knirschte. Sie wusste, wenn sie jetzt nachgab, würde sich das Gesicht innerhalb eines Augenblickes entspannen, seine ersten Schüsse, mit mühsam zurückgehaltener Wut, die nicht so schnell abklang, würden ihr weh tun, aber gleich darauf wäre Richard so freundlich und nett, so verspielt und kindlich, wie es ein Junge in seinem Alter nur sein konnte. Titine seufzte. Er war jetzt neun Jahre alt. Womöglich hatte Mafalda recht, wenn sie darauf drang, dass er endlich eine Schule besuchte.
    Mit einem Schlag kam Übelkeit in ihr hoch. Ihre Knie wurden weich, das Licht um sie herum schillerte in dunklen Schlieren. Wie aus weiter Ferne hörte sie Richards keifende Jungenstimme, dann wurde es schwarz um sie
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