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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich
Autoren: Thomas Enger
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eifersüchtig, du Idiot.
    »Wie geht es dir, Nora?«, fragt Henning, obgleich er die Antwort eigentlich gar nicht wissen will. Er will nicht hören, dass sie ein neues Glück gefunden hat, dass sie jetzt – endlich – wieder positiv in die Zukunft blickt. Er weiß, dass er sie niemals zurückbekommen wird oder dass das verschwindet, Woran Er Nicht Denken Will. Trotzdem will er nicht, dass sie ganz weg ist.
    »Es geht mir gut«, sagt sie.
    »Wohnst du noch immer in Sagene?«
    Sie zögert die Antwort hinaus, antwortet schließlich: »Ja.«
    Er nickt und denkt, dass sie ihn schonen will. Am liebsten würde er gar nicht darüber nachdenken, was sie ihm verschweigt, aber er ahnt es bereits. Und dann kommt es doch.
    »Vielleicht ist es besser, wenn du es gleich erfährst und dass du es von mir hörst«, sagt sie.
    Er atmet tief ein, wappnet sich. Trotzdem knarrt es in den Fugen, als sie sagt: »Ich habe eine neue Beziehung.«
    Er sieht sie an, nickt, denkt, dass es nicht wehtun dürfte. Aber trotzdem spürt er die Stiche in der Magengegend.
    »Wir sind seit einem halben Jahr ein Paar.«
    »Hm?«
    Jetzt sieht sie ihn an. Zum ersten Mal seit Langem liegt Wärme in ihrem Blick. Aber die falsche Wärme. Die Sorry-Wärme.
    »Wir überlegen zusammenzuziehen.«
    Er ringt sich ein weiteres »Hm« ab.
    »Ich wünsche dir alles Gute«, sagt er. Sie sagt nichts, lächelt ihn nur vorsichtig an. Es tut gut, sie lächeln zu sehen. Aber noch mehr in diese Richtung erträgt er nicht, also aktiviert er den einzigen Verteidigungsmechanismus, der ihm zur Verfügung steht.
    »Du weißt nicht zufällig, wer Iver Gundersen ist?«, fragt er. »Ich habe den Typen nie getroffen, aber wir sollen zusammenarbeiten.«
    Nora neigt den Kopf zur Seite.
    Er hätte es begreifen müssen, als er gesehen hat, wie schwer es ihr fällt, ihm zu sagen, dass sie einen neuen Mann gefunden hat. Aber was ist daran schwierig? Sie hat sich weiterentwickelt, das Kapitel ihrer gemeinsamen Vergangenheit endgültig zugeklappt. Aber in dem Zukunftskapitel brodelt es. Sie seufzt, und er begreift es, als sie sich zur Cordjacke umdreht.
    »Ich bin mit Iver Gundersen zusammen.«

10
    Er sieht zu dem Mann hinüber, der mit flackerndem Blick zerstreut mit einem Kollegen spricht. Henning stellt sich Noras Finger in seinen schütteren Haaren vor, das sanfte Streicheln über seine Bartstoppeln, Lippen auf Lippen, Zärtlichkeit.
    Er erinnert sich, wie es sich angefühlt hat, wenn sie sich an ihn schmiegte, nachdem sie abends das Licht gelöscht hatten, wenn sie ihre Hände und Arme um ihn schlang, um ihm so nah wie möglich zu sein. Jetzt darf er also ihre zarten, sanften Hände genießen.
    »Aha?«, sagt Henning und hört selbst, wie pathetisch das klingt. Vielleicht ist dies der Moment, in dem er hätte ausrasten sollen, sie anfahren, mit dem Gefühl zurücklassen, sie habe ihm das Herz gebrochen, es torpediert, darauf herumgekaut und es dann wieder ausgespuckt. Herzlos hättest du sie nennen sollen, denkt er, gefühlskalt, taktlos, aber das tust du nicht. Stattdessen sagst du: Aha?
    Pathetisch. Schlicht und ergreifend pathetisch.
    Es gelingt ihm nicht, sie anzusehen. Und mit diesem Mann soll Henning nun also zusammenarbeiten.
    Ironie des Schicksals, denkt er. Was anderes kann es nicht sein.
    Er geht auf ihn zu, hört Nora noch sagen: »Nicht …« Aber er ignoriert sie. Einen Meter vor Gundersen bleibt er stehen und sieht ihn an. Gundersen ist mitten in einem Satz, bricht ihn aber ab und dreht sich zu ihm um.
    Er weiß, wer ich bin, denkt Henning. Das sehe ich ihm an. Und der Bursche ist nervös.
    »Hallo«, sagt Gundersen. Henning hält ihm die Hand hin.
    »Henning Juul.«
    Zögernd ergreift Gundersen die Hand. Henning drückt sie fest.
    »Iver G…«
    »Wir sollen offenbar in dieser Sache zusammenarbeiten. Wie sollen wir uns aufteilen?«
    Er weiß, dass er Gundersen auf dem falschen Fuß erwischt hat, aber das ist ihm komplett egal.
    »Ich weiß nicht so genau.«
    Bedenkzeit. Gundersen sammelt sich.
    »Ich dachte mir, wir könnten das, was wir bereits veröffentlicht haben, mit ein paar Zitaten aus der Pressekonferenz auf den neuesten Stand bringen«, setzt er an und schaut über Hennings Schulter zu Nora, die ihre erste Begegnung mitverfolgt. »Und dann wollte ich die Ehrenmord-Idee weiterverfolgen«, fährt Gundersen fort. »Um zu sehen, ob da was dran ist. In dem Fall wäre die Liste der Verdächtigen ziemlich kurz und eine Festnahme nicht weit.«
    Henning nickt.
    »Hat
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