Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich
Autoren: Thomas Enger
Vom Netzwerk:
Vestland. Ulsteinvik, soweit er weiß, wenn ihr Dialekt sich mit den Jahren auch etwas abgeschliffen hat.
    Er versucht, die Bilder zu verdrängen, die sich immer häufiger in seinem Kopf einnisten, und denkt an den Job, den sie zu erledigen haben. Sie befinden sich vor der Wohnung Mahmoud Marhonis, des Freunds von Henriette Hagerup.
    Es ist einer dieser Standard-Hausbesuche. 2007 wurden dreißig von zweiunddreißig Morden von Personen begangen, die die Opfer kannten oder zu denen sie in einer näheren Beziehung standen. Statistisch gesehen sind die Täter sehr häufig unter den nächsten Angehörigen zu suchen. Ehepartner, besonders verschmähte, Familienmitglieder oder Freunde. Darum ist der Besuch, den Brogeland und Sandland vor sich haben, von großer Bedeutung.
    »Gehen wir«, sagt er. Sandland nickt. Sie öffnen gleichzeitig die Türen und steigen aus.
    Verdammt, wie sie aussteigt.
    Brogeland hatte schon häufiger in der Oslogaten zu tun, sogar Mahmoud Marhoni hatte er schon mal im Visier, in Verbindung mit einem Fall, in dem er als verdeckter Ermittler gearbeitet hat. Soweit das damals aufgeklärt werden konnte, war Marhoni aber in keine illegalen Machenschaften verstrickt gewesen.
    Brogeland ist aber lange genug bei der Polizei, um zu wissen, dass das nichts heißen muss. Darum verspürt er auch diese besondere Spannung im Körper, als sie auf die Fassade zugehen, auf der 37 steht, die Klingelleiste ausmachen und links neben einem der Plastikknöpfe den Namen von Henriette Hagerups Freund finden.
    Die Klingel bleibt stumm, als Ella Sandland den Knopf drückt. Zu ihrem Glück wird ihnen die Tür zum Hinterhof dann aber von einem Mädchen im Hidschab geöffnet. Sie sieht sie ohne Scheu an und hält ihnen sogar noch die Tür auf. Sandland bedankt sich höflich und lächelt das Mädchen an. Auch Brogeland nickt ihr kurz zu. Er lässt Sandland den Vortritt, um noch einmal einen Blick auf ihren Po werfen zu können.
    Ich wette, sie weiß, dass die Männer sie anstarren, denkt Brogeland, als sie eintreten. Und mit der Uniform hat sie doppelte Macht. Scheinbar unnahbar, weil sie Polizistin ist, und genauso unnahbar, weil sie so schön ist, dass sie haben kann, wen immer sie will – wahrscheinlich in beiden Lagern. Sie hat die Kontrolle. Und das ist es, was sie so unbändig und verflucht sexy macht.
    Sie betreten einen Hinterhof, der alle Zeichen des Verfalls aufweist. Zwischen den Pflastersteinen wächst Gras, und die wenigen Büsche, die es dort gibt, wachsen wild durcheinander. Die Blumenbeete, so sie denn diesen Namen verdienen, sind eine einzige Mondlandschaft alter, vertrockneter Erde und verdreckter Wurzelballen. Die schwarze Farbe des Fahrradständers blättert ab, und die wenigen Räder, die dort geparkt sind, haben verrostete Ketten und platte Reifen.
    Sie können zwischen drei Treppenaufgängen wählen. Brogeland weiß aber von früher, dass Marhoni im Aufgang B wohnt. Sandland ist als Erste da, findet die Klingel neben der Tür und drückt den Knopf. Wieder kein Laut.
    Brogeland zwingt sich, seinen Blick von ihrem Hintern zu nehmen, und schaut nach oben. Die Wolken ballen sich am Himmel zusammen. Bald wird es regnen. Eine Schwalbe stößt spitze Schreie aus, als sie von einem Hausdach zum nächsten fliegt. Er hört ein Flugzeug, kann es hinter den Wolken aber nicht sehen.
    Marhoni wohnt im Hochparterre, sodass sie nicht durch die Fenster in seine Wohnung blicken können. Sandland klingelt ein zweites Mal. Diesmal antwortet jemand.
    »Hallo?«
    »Hallo, hier ist die Polizei. Öffnen Sie bitte die Tür!«
    Brogeland freut sich an Sandlands saftigem Dialekt.
    »Polizei?«
    Brogeland registriert einen Anflug von Skepsis und Furcht in der Stimme. Das ist nicht Marhoni, denkt er, Marhoni ist abgebrühter.
    »Ja, Polizei.« Sandlands sexy Stimme ist jetzt einen Tick autoritärer.
    »W-warum?«
    »Polizei? Mach nicht auf!«
    Die Stimme im Hintergrund ist laut genug, als dass Brogeland und Sandland sie bis auf den Flur hören können.
    »Aufmachen!«
    Sandland hebt die Stimme, und Brogeland wird schlagartig wach. Er schnappt nach dem Griff, rüttelt daran, stellt fest, dass das Schloss kaputt ist, und stürmt gefolgt von Sandland hinein, sie rennen die Treppe zum Hochparterre hinauf, als er hört, wie sich jemand an einem Türschloss zu schaffen macht. Brogeland ist durchtrainiert und schnell, und es gelingt ihm, die Wohnungstür aufzureißen, bevor der Mann, allem Anschein nach Marhonis Bruder, diese abschließen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher