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Stephane Hessel - ein Jahrhundertleben

Stephane Hessel - ein Jahrhundertleben

Titel: Stephane Hessel - ein Jahrhundertleben
Autoren: Hermann Vinke
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Freund hatte ihn überredet, sich dem Geheimdienst de Gaulles anzuschließen. Schließlich beherrscht Hessel inzwischen drei Sprachen fließend: Deutsch, Französisch und Englisch. So kann er den deutschen Funkverkehr abhören. Hinter den Frontlinien soll er Bewegungen der Wehrmacht, Munitionsdepots und strategische Punkte auskundschaften und nach London melden.
    Im Frühjahr 1944 taucht Hessel in Paris in ein Netz von Résistance- Anhängern ein und wird sofort aktiv. Die Untergrundkämpfer sind hoch motiviert, denn alles deutet auf eine bevorstehende Landung der Alliierten an der französischen Atlantikküste hin. »Ich habe mit vielen Freunden im Widerstand eng zusammengearbeitet, von denen manche verhaftet und sofort erschossen wurden. Das Risiko gehörte dazu. Dabei war ich gar nicht besonders mutig.« Sein Einsatz für den französischen Widerstand bringt Hessel schließlich Lagerhaft ein.
    In der Gewalt der Gestapo
    Einer seiner Mitkämpfer in der Résistance, der in die Fänge der Gestapo geraten war und unter Folter Hinweise auf Hessels Aufenthaltsort gab, wird ihm zum Verhängnis: »Plötzlich steht jemand hinter mir und sagt: Sie sind verhaftet! In diesem Augenblick wusste ich: Mein Leben hängt nur noch an einem seidenen Faden. Ein französischer Spion in der Gewalt der Gestapo, das kam einem Todesurteil gleich.«
    Hessel wird gefoltert: Untertauchen in einer Badewanne bis zum Ersticken, Schläge ins Gesicht. »Die Ohrfeigen waren sehr demütigend. Da gab es einen jungen Gestapo-Mann, der schlug besonders kräftig zu. Ich war an einen Stuhl gefesselt und konnte mich nicht bewegen.« Später hetzt die SS Schäferhunde auf ihn. Die vernarbten Bisswunden an den Waden sind noch Jahrzehnte danach sichtbar.
    Dem Gefangenen kommt zugute, dass er bei den Verhören Deutsch spricht. Die deutsche Sprache hütet Hessel wie einen kostbaren Schatz. Dutzende von Gedichten kennt er auswendig, zitiert sie aus dem Stegreif, vor allem die Verse seiner Lieblingsdichter Hölderlin und Rilke. Sie helfen ihm über schwere Stunden hinweg und verblüffen seine Peiniger, die vielleicht denken: Diesen Gefangenen können wir noch für unsere Zwecke einsetzen! Jedenfalls entgeht er dem Erschießungskommando.
    Überleben in Buchenwald
    Zusammen mit 37 anderen Résistance- Kämpfern wird Hessel im August 1944 nach Buchenwald deportiert. Im völlig überfüllten Lager sterben täglich Gefangene an Hunger, Erschöpfung, Typhus oder Fleckfieber.
    Schon bald nach der Ankunft Hessels in Buchenwald wird die Lage der Gefangenen bedrohlich. Während amerikanische Truppen von Westen und sowjetische von Osten her vorrücken, wächst die Nervosität auch bei den Bewachern. Niemand weiß, was die SS vorhat. Nur für die 3 7 Widerstandskämpfer aus Frankreich besteht makabre Gewissheit: Sie sollen gehängt werden. Die Befehle, ausgestellt auf einzelne Namen, treffen nach und nach in Buchenwald ein und werden sofort ausgeführt.
    In dieser verzweifelten Lage kommt Eugen Kogon, ein deutscher Mithäftling, auf die Idee, die Identität einzelner an Typhus verstorbener Gefangener mit der Identität der französischen Häftlinge zu tauschen, um ihnen so das Leben zu retten. In seinem Buch Der SS-Staat beschreibt Kogon später, wie im Oktober 1944 in einem dramatischen Wettlauf mit der Zeit tatsächlich drei dem Tod geweihte Agenten gerettet werden, darunter der französische Offizier Stéphane Hessel. Er lebt als Michel Boitel weiter, während der an Typhus gestorbene Gefangene unter seinem Namen im Krematorium verbrannt wird. Rettung auf Zei t – mehr bedeutet der Identitätstausch nicht.
    Anfang November 1944 kommt Hessel in das Außenlager Rottleberode östlich von Nordhausen. Wieder hat er Glück. Statt Fahrgestelle für das Flugzeug Junker s 53 herstellen zu müssen, wird er in der Buchhaltung beschäftigt. Im Januar 1945 fordert der Häftling das Schicksal erneut heraus. Mit einem Kameraden flieht er aus dem Lager. Als die beiden sich schon in Sicherheit wähnen, werden sie von einer Feldgendarmen-Streife überrascht und festgenommen. Auf Flucht steht Tod durch den Strang. Aber Hessel landet in einem Strafbataillon im KZ Mittelbau-Dora, wo sich in einer Fabrik im Tunnel Häftlinge beim Bau von Raketen zu Tode schuften. Hessel wird im Lager eingesetzt.
    Schießerei am Bahndamm
    Am 5 . April 1945 werden die Häftlinge des Lagers Mittelbau-Dora, dem sich US-Truppen nähern, abtransportiert in Richtung Bergen-Belsen. Im Zug schmiedet Hessel mit zwei
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