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Steirerkind

Steirerkind

Titel: Steirerkind
Autoren: Claudia Rossbacher
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tun.«
    »So exakt lässt sich das nicht sagen. Wir kennen das Strömungsverhalten des Gewässers noch nicht. Der Wasserfall, der den See speist, macht ihn speziell«, meinte Siebenbrunner.
    »Aber der Wasserfall ist doch um diese Jahreszeit vereist«, warf Sandra ein.
    »Wir müssen erst eruieren, wie lange dies schon der Fall ist«, erklärte Siebenbrunner. »Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass der Körper, so er bei seinem Untergang schon tot war, nicht besonders weit abgetrieben ist. Sie wissen vielleicht, dass sich Wasserleichen meist ganz in der Nähe der Untergangsstelle mit Stirn und Extremitäten am Grund verankern. Durch die verbliebene Atemluft und Gase in Lunge und Darm befindet sich die Leiche in Bauchlage, mit dem Gesäß nach oben …«
    »Sie erzählen uns nichts Neues, Herr Kollege«, unterbrach Bergmann ihn.
    »Ich komme schon noch auf den Punkt. Wenn Sie sich ein wenig gedulden, Herr Chefinspektor …«
    Bergmann verdrehte die Augen und lehnte sich zurück. Ihn nervten weniger Siebenbrunners schlechte Manieren, als dessen ausführliche Erklärungen, wusste Sandra. Am liebsten ließ sich der Chefinspektor nur die wesentlichen Fakten präsentieren. Zu diesem Zeitpunkt blieb ihm jedoch nichts anderes übrig, als sich in Geduld zu üben und Siebenbrunner ausreden zu lassen.
    »Normalerweise bilden sich nach längerer Liegezeit im Wasser Fäulnisgase, die der Leiche Auftrieb verleihen und die den Bodenkontakt wieder lösen«, setzte der leitende Kriminaltechniker seinen forensischen Vortrag fort. Er war zweifelsohne einer jener Männer, die sich selbst gerne reden hören. »Nicht jedoch bei unserer Leiche. Bei konstant niedrigen Wassertemperaturen, die im Winter herrschen, bleibt der Fäulnisprozess aus. Es gibt in einem solchen Fall keine Fäulnisgase, die die Leiche nach oben treiben. Erst im Frühling, wenn die Temperaturen wieder ansteigen, ist der Prozess nicht mehr aufzuhalten.«
    Bergmann seufzte hörbar, wofür er einen grimmigen Blick von Siebenbrunner erntete.
    Sandra nutzte die Unterbrechung für eine Zwischenfrage. »Wenn ich die Kollegin Grübler vorhin richtig verstanden habe, ist die Leichenfundstelle doch ziemlich unzugänglich. Wie ist der Körper dann dorthin gekommen, falls er schon tot war?«
    Jetzt seufzte Siebenbrunner, als hätte er es mit einer Horde begriffsstutziger Polizeischüler zu tun.
    »Bei vollständig bekleideten Leichen wie dieser können Luftblaseneinschlüsse in der Kleidung das spezifische Gewicht des Körpers reduzieren«, erklärte er unwirsch.
    Auch diese Erkenntnis war Sandra nicht neu. Nur mühsam widerstand sie der Versuchung, den Kriminaltechniker mit ihrer Schlussfolgerung erneut zu unterbrechen.
    Der fuhr indessen fort: »Die Leiche könnte ein Stück weiter oben am See ins Wasser verbracht worden oder gefallen sein. Durch Lufteinschlüsse in der Kleidung kann die Strömung sie zur Fundstelle beim Ufer getrieben haben. Und dort ist sie an der flachsten Stelle mit einem Arm im Eis festgefroren. Wann genau dies der Fall war, werden wir mit Hilfe der Wetteraufzeichnungen zu klären versuchen. Um jedoch die exakte Untergangsstelle errechnen zu können, müssten wir, wie vorhin schon erwähnt, die Strömung ermitteln. Sobald das Wetter wieder besser ist, könnten wir mit entsprechenden Tests beginnen.«
    Bergmann atmete erneut hörbar aus. Diesmal aus Erleichterung, dass Siebenbrunner endlich einen Punkt hinter seinen Vortrag gesetzt hatte, vermutete Sandra.
    »Warten wir doch erst einmal den Obduktionsbefund ab«, wiederholte sie seinen Vorschlag von vorhin. »Könnte die Leiche übers Wasser zur Fundstelle gebracht worden sein? Mit einem der Ruderboote, die hier vermietet werden, vielleicht?«
    Barbara Grübler schüttelte wieder den Kopf.
    »Die Boote sind seit Anfang November eingewintert, behauptet der Wirt.«
    »Verstehe. Gab es Spuren in der Nähe der Fundstelle?«, wandte sich Sandra erneut an Siebenbrunner.
    »Es gibt immer Spuren, Frau Mohr. Man muss sie nur als solche erkennen«, belehrte Siebenbrunner sie. »Als wir mit der Spurensuche begonnen haben, hatte bereits der Schneefall eingesetzt. Außerdem dürfte die Leiche schon seit einiger Zeit im See gelegen sein. Ich betone, dürfte – ich bin nämlich kein Gerichtsmediziner, sondern Kriminaltechniker. Als solcher konnte ich mit meinen Männern ein paar Gegenstände sicherstellen. Leere Getränkedosen, Zigarettenstummel, die Kappe eines Kugelschreibers, eine Haarspange. Lauter Dinge, die schon
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