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Steirerkind

Steirerkind

Titel: Steirerkind
Autoren: Claudia Rossbacher
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am Hinterkopf ist sternförmig aufgeplatzt, auch wenn sie durchs Wasser ausgewaschen und schwammig ist. Der Schuss müsste demnach aus nächster Nähe abgefeuert worden sein – entweder ein Contact- oder Near-Contact-Schuss. Eine Stanzmarke der Mündung auf der Haut konnten wir mit freiem Auge jedoch nicht ausmachen.«
    »Dann könnte es sich auch um Suizid handeln?«, fragte Sandra.
    »Ist eher auszuschließen. Die Einschusslokation wäre äußerst ungewöhnlich für einen Suizid, ebenso der Schusskanalverlauf. Der Schuss ist von hinten nach vorn erfolgt, abwärts. Sie müssen sich das in etwa so vorstellen …« Der Ballistikexperte führte erst die rechte, dann die linke Hand zu seinem Hinterkopf, um zu demonstrieren, dass der Einschusswinkel bei einer Selbsttötung nur sehr schwer, mit verdrehtem Handgelenk, zu erzielen war. »Soweit mir bekannt ist, wurde eine ähnliche Einschusslokation bisher nur vom RAF-Terroristen Baader in der Stuttgarter Haft gewählt, vermutlich mit der Absicht, einen Mord vorzutäuschen«, erläuterte er weiter. »Das liegt gut 35 Jahre zurück.«
    Hundertprozentig auszuschließen war ein Suizid demnach noch nicht. Aber höchstwahrscheinlich hatten sie es doch mit einem Mordfall zu tun. »Der Schuss kam also von hinten, sagen Sie«, wiederholte Sandra die Information des Ballistikers, »wenn es sich um Mord handelt, müsste der Täter also entweder größer als das Opfer gewesen sein, oder das Opfer ist vor ihm in die Knie gegangen«, mutmaßte sie weiter.
    »Alles reine Spekulation, Frau Kollegin, ohne Obduktionsbefund«, würgte Siebenbrunner ihre Gedanken ab.
    Wieder eine Bemerkung, die er sich hätte sparen können, dachte Sandra ärgerlich. Glaubte der Mann ernsthaft, dass sie das nicht selbst wusste? Dennoch konnte man doch schon mal das eine oder andere Szenario gedanklich durchspielen.
    »Apropos Obduktionsbefund«, sprang Bergmann ein, »Frau Doktor Kehrer wird es heute nicht mehr hierher schaffen, falls es nicht bald zu schneien aufhört – ich hab unterwegs mit ihr telefoniert. Wir müssen uns fürs Erste wohl oder übel mit der Diagnose des Polizeiarztes und Ihrer ersten ballistischen Einschätzung begnügen«, sagte er und nahm einen Schluck Kaffee.
    »Auf den Besuch des Staatsanwalts werden wir ebenfalls verzichten müssen«, merkte Barbara Grübler an. »Der hat sich vorhin bei mir gemeldet, dass er aufgrund des Wetters hängengeblieben ist.«
    »Die wichtigsten Fragen bleiben vorerst also ungeklärt«, kehrte Sandra zum mutmaßlichen Mord zurück. »Wurde die Leiche ins Wasser verbracht oder hat das Opfer zu diesem Zeitpunkt noch gelebt? In diesem Fall hätte sich der Mann auch selbst noch im Wasser fortbewegen können. Auch wenn er schon angeschossen war – durch mögliche Muskelkontraktionen, seien sie willkürlich oder unwillkürlich gewesen.«
    Sollte Siebenbrunners zaghaftes Kopfnicken etwa Zustimmung signalisieren?, wunderte sich Sandra über das erste positive Zeichen des Mannes an diesem Tag.
    »Weiters bleibt zu klären, ob sich der Tatort hier am See befindet«, fuhr sie fort.
    »Falls nicht, müsste der Täter die Leiche irgendwie vom Schranken bei der Seewigtalhütte bis zum See befördert haben. Zu Fuß ist das eine ziemlich weite Strecke. Viel wahrscheinlicher ist doch, dass er einen Schlüssel zum Schranken besessen hat und bis zum Fischerwirt zufahren konnte«, spekulierte Bergmann.
    »Oder er hat die Leiche mit anderen Hilfsmitteln unbemerkt transportiert. In der Nacht ist man hier vermutlich relativ ungestört«, kombinierte Sandra.
    »Eine Schubkarre, ein Leiterwagen, ein Fahrradanhänger oder so was … Das wäre aber ziemlich riskant gewesen«, gab Bergmann zu bedenken.
    »Oder der Täter hielt sich beim Fischerwirt auf. Er könnte entweder ein ständiger Bewohner oder ein Hausgast gewesen sein. Die vermieten doch Gästezimmer hier, nicht wahr?«, meinte Sandra, zur Gruppeninspektorin gewandt.
    »Von Mai bis Oktober. Im Winter wird nur das Restaurant betrieben«, antwortete Barbara Grübler.
    »Ach so. Und wo ist die Leiche jetzt?«, fragte Sandra in die Runde.
    »Im Schuppen, neben dem Haus. Wir konnten den Toten ja schlecht im Schnee liegen lassen«, meinte Siebenbrunner.
    »Für den Fall, dass der Mann post mortem in den See verbracht wurde«, spann Sandra den Faden weiter, »müsste dies nicht unweit der Fundstelle geschehen sein? Weit abgetrieben kann die Leiche doch nicht sein. Immerhin haben wir es hier mit einem stehenden Gewässer zu
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