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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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Kindheit dann allerdings unwiederbringlich verloren sein würden, verriet er mir nicht.
    Gewisse Dinge muss man einfach schon als Jugendliche erlebt haben, etwa in die Disco gehen oder auf Popkonzerte. Wer sich mit 40 Jahren wie ein Teenager benimmt, weil er meint, etwas nachholen zu müssen, macht sich doch einfach nur lächerlich. Das weiß ich jedoch erst heute und weiß auch, dass ich ihm schon damals die Stirn hätte bieten sollen. Ich hätte nicht bei allem und jedem klein beigeben dürfen. Das war es doch eigentlich, was er mir beim Boxen hatte beibringen wollen. Meine kleine Schwester dagegen traute sich, mit Erfolg. Mir kam es vor, als ob sie alles durfte und ich nichts. Man gab ihr Freiheiten und mir Verantwortung, auch in der Familie.
    Aber ich wehrte mich nicht, denn ich mochte mein Leben ja und hatte nur meinen Sport im Kopf. Es gab in der Schule schon ein paar Mädels, mit denen ich mich gut verstanden habe, aber ich sah sie eben nur in der Schule. In meiner Freizeit durfte ich mit ihnen nichts unternehmen. Für meinen Vater war es unvorstellbar, dass ich als Mädchen allein oder nur mit anderen Mädchen in die Stadt ginge oder in die Eisdiele. Nur wenn meine Mutter dabei war, war das für ihn in Ordnung.
    Mein Leben war außerdem grundsätzlich so durchgeplant, dass für Freizeit oder Freunde gar kein Raum mehr blieb und dass ich nicht einmal dazu kam, darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht noch etwas anderes gäbe. In der Schule, da hatte ich meine Freunde, dann ging es nach Hause und von dort ins Training. Jeden Tag. Und am Sonntag war Familientag. Jedes Wochenende. Ich wusste ja gar nicht, wie es ist, mit anderen Jugendlichen etwas zu unternehmen, an den See zu fahren oder einfach mal abzuhängen, daher hatte ich auch nie das Gefühl, dass mir etwas fehlte. Mir ging es gut.
    Im Training gab es keine anderen Jugendlichen. Ich trainierte nach wie vor mit den Erwachsenen. Erst als ich etwa 15 oder 16 Jahre alt war, bot das Mekong Box Gym auch Training für Jugendliche an. Da war ich aber mit dem Training schon so weit, dass ich selbst als Trainerin in den Kindergruppen stand.
    Mit 16 bekam ich sogar ein Angebot von einem Kölner Boxstall, für ihn als Profi zu kämpfen. Ich war begeistert, geradezu euphorisch, weil das das Ziel meiner Träume war. Meine Eltern waren jedoch dagegen. Sie bestanden darauf, dass ich erst mein Abitur machte. Die mittlere Reife sei nicht genug. Doch zusätzlich zum Training und zum Gymnasium durfte ich mit 16 schon im Betrieb meines Vater mitarbeiten. Er hatte in dieser Zeit einen KFZ-Handel, und ich unterstützte ihn im Büro, zu Hause bei der Buchhaltung, manchmal auch beim Verkauf. Ich half auch meiner Mutter und kümmerte mich mit um meinen kleinen Bruder Bassam, der in dieser Zeit zur Welt kam. Es gab also wirklich keine freie Minute in meinem Leben. Ich musste funktionieren, musste erwachsen sein, vernünftig sein und verantwortungsvoll. Dass ich mal Quatsch machte wie jeder andere Jugendliche, war nicht vorgesehen. Manche Leute können gar nicht glauben, dass ich als Jugendliche nie Mist gebaut habe. Aber wann hätte ich das tun sollen zwischen Schule, Training und Familie? Deshalb kann ich keine lustigen Anekdoten aus meiner Teenagerzeit erzählen. Natürlich auch keine Jungengeschichten. Jungs waren für mich überhaupt kein Thema. Klar durfte ich mit 16 auch mal in die Disco und zu Popkonzerten, sogar zu mehreren Backstreet-Boys-Konzerten – aber ausschließlich in Begleitung meines Vaters. Er hat dann aufgepasst, dass mich keine Jungs ansprachen.
    Selbstverständlich wurde ich ab und zu auf eine Party eingeladen. Fast immer habe ich aber gleich abgesagt, ohne zu Hause überhaupt erst zu fragen. Denn ich wusste, dass es nur Theater geben würde, und das wollte ich mir ersparen. Meine Schwester setzte gelegentlich ihren Kopf durch, wenn sie etwas wollte, aber es war auch für sie ein harter Kampf. Dafür hatte ich einfach keine zusätzliche Kraft mehr, eine Party war mir diesen Stress einfach nicht wert. Wenn ich nur fragte, ob ich einmal mit einer Freundin ins Kino gehen dürfte, zeigte mir mein Vater schon einen Vogel.
    Die Teenager-Zeit war für mich im Sport schwierig. Ich war fit und hatte in den verschiedensten Kampfkünsten trainiert. Kickbocken mit und ohne Low-Kick, Kickboxen mit Vollkontakt oder mit Leichtkontakt, Thaiboxen mit oder ohne Ellenbogeneinsatz und K-1-Boxen, eine neue Kampfsportart. Das Regelwerk des K1-Boxen wurde in den 1980er-Jahren
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