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Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)

Titel: Stehaufmädchen: Wie ich mich nach dem Attentat meines Stiefvaters zur Boxweltmeisterschaft zurückkämpfe (German Edition)
Autoren: Felicia Englmann , Rola El-Halabi
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mein Vater wütend und wies denjenigen zurecht. Unsere Eltern waren Mama und Papa, fertig.
    Eigentlich heißt mein Papa Hicham El-Halabi. Aber seinen Vornamen Hicham konnten die Deutschen nur schlecht aussprechen und sich vor allem nicht merken. Einer seiner deutschen Bekannten sagte dann eines Tages aus einer Laune heraus »Roy« zu ihm, und dabei blieb es dann. Ich habe keine Ahnung, ob das etwas mit Roy Black zu tun hatte. Der Spitzname wurde auf jeden Fall so sehr Teil von ihm, dass mein Vater sich auch bei Fremden als Roy vorstellte. Nur bei anderen Arabern nicht, da blieb er weiterhin Hicham.
    Wie meine Mutter und mein leiblicher Vater war er vor dem Bürgerkrieg aus dem Libanon geflohen. Er war zwar in Kuwait geboren worden, aber als Sohn libanesischer Eltern, die dann auch bald wieder zurück in den Libanon zogen. Sein eigener Vater wurde im Krieg erschossen, seine Mutter musste daraufhin sehen, wie sie die Familie allein durchbrachte. Sie war eigentlich Lehrerin, nähte dann aber für andere Frauen. Mein Vater ging bei einem Goldschmied in die Lehre, trotz des Krieges. Als er eines Tages angeschossen wurde, verließ er den Libanon. 1985 kam er in Deutschland an.
    Papa liebte uns Mädchen abgöttisch, vielleicht sogar mehr als unsere Mutter. Manchmal glaube ich rückblickend beinahe, dass er in manchen Phasen nur wegen uns Mädchen mit unserer Mutter zusammenblieb. Er zollte Mama nicht so viel Respekt, wie sie es verdient gehabt hätte, bezog sie auch in Entscheidungen, die die ganze Familie betrafen, nicht wirklich ein. Hin und wieder fragte er mich nach meiner Meinung, um dann ohne meine Mutter zu entscheiden. Mir fiel damals schon auf, dass das falsch war, dass ich als Kind doch gar nichts entscheiden sollte. Oder dass die Meinung meiner Mutter hätte zählen sollen.
    Bei aller Großzügigkeit war er aber auch ein Kontrollmensch, weil er niemandem wirklich vertraute. Er hatte viele Freunde oder Bekannte, aber wirklich 100 Prozent Vertrauen hat er wohl zu nur einem Menschen, seinem besten Freund. Der war ausgerechnet ein Zuhälter. Wir mussten ihn »Onkel« nennen, was mir zuwider war und es jetzt noch ist, wenn ich nur daran denke. Meine Mutter konnte ihn auch nie leiden und warnte meinen Vater, dass dieser »Onkel« ihm eines Tages in den Rücken fallen würde. Erstaunlicherweise war dieser Mann der Einzige, der meinen Vater beruhigen konnte, wenn er seine Wutanfälle bekam. Und das kam in der Tat vor. Diese Ausraster – sie waren es, die unser Familienglück immer wieder beschädigten. Die Wutanfälle, die Gewaltausbrüche, das Toben. Ich denke, dass der »Onkel« womöglich irgendetwas gegen meinen Vater in der Hand hatte, das half, ihn zu zähmen.
    Papa lenkte die Familie, und uns ging es im Grunde sehr gut. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, in der es uns richtig schlecht gegangen wäre. Wir Mädchen wurden von ihm verwöhnt, hatten die tollsten Geburtstagsfeiern mit den schönsten Geschenken, die man sich vorstellen konnte. Wir fuhren jedes Jahr mit der ganzen Familie in den Urlaub. Ich bekam alles, was ich mir wünschte. Ich erhielt zwar kein Taschengeld, aber wenn ich meinen Vater um 20 Euro bat, gab er mir 25. Als diese Buffalo-Schuhe mit den Plateausohlen modern wurden, hatte ich nicht ein Paar davon, sondern gleich vier. Meine Schwester hatte auch welche, und wir trugen eigentlich immer die angesagtesten Marken. Auch meine Mutter verwöhnte er mit Geschenken. Mal eine neue Uhr, mal ein Schmuckstück.
    Mein leiblicher Vater dagegen meldete sich nie wieder bei uns, nachdem er in den Libanon zurückgegangen war. Als ich 16 Jahre alt wurde und einen neuen libanesischen Pass brauchte, benötigte ich eine Unterschrift von ihm. Das ist im Libanon so üblich – man braucht für alles und jedes die Unterschrift des leiblichen Vaters. Über meinen Onkel nahmen wir daher Kontakt zu ihm auf, und er ließ ausrichten, er werde nur unterschreiben, wenn wir ihm 10.000 Dollar überwiesen. Das taten wir natürlich nicht. Ich verzichtete daher auf den libanesischen Pass und lebte zwei Jahre lang mit einem Ersatzausweis. Als ich 18 Jahre alt wurde, beantragte ich die deutsche Staatsbürgerschaft.
    Ich vermisste meinen leiblichen Vater nie, fragte auch nie nach ihm und suchte ihn nicht, denn ich hatte ja einen Papa. Einen guten Vater, der immer für mich da war. Seine schlechten Eigenschaften kann ich auch heute noch an einer Hand abzählen. Und obwohl ich nie wirklich Kind oder Jugendliche sein durfte, hatte
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