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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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einige Zeit in Berlin im Einsatz. Dort erlebte ich schwere Bombenangriffe auf die Stadt. Und dann kamen die Meldungen der Verschütteten, dort dreißig, dort zehn. Irgendwo müssen Sie anfangen, diese zu bergen. Wo immer Sie anfangen, das bedeutet, dass Sie für andere zu spät kommen. Und diese Not, die ich gesehen habe, diese Tode – das hat mich bewogen, etwas zu tun. Damit das aufhört, dass diese Millionen Menschen sinnlos sterben.
    Im Gegensatz zu vielen anderen sind Sie wieder aus der Haft entlassen worden. Wann war das?
    Am 6. Dezember 1944. Das war überraschend für mich. Ich hatte vor meiner Entlassung keinen Prozess. Warum, weiß ich nicht. Man saß in Tegel, und gelegentlich kam während der Freistunde der Vorsteher, da wurden die Häftlingsnummern aufgerufen, und diejenigen erhielten dann ihre Anklageschriften. Das war aber nicht immer so. Da lief vieles oft auch irrational ab.
    Wie ist Ihre Freilassung begründet worden?
    Ich wurde vor der Entlassung zu dem Kriminalrat gebracht, den ich schon erwähnt habe. Und der sagte zu mir: »Manche Leute glauben, sie sind frei, aber die sind nur unter der ›Käseglocke‹. Und Ihren Freund Hammerstein werden wir auch bald haben. Ich bringe Sie runter zur Straße.« Dort fragte er mich, was ich nun tun würde. Ich druckste etwas rum. Er sagte: »An Ihrer Stelle würde ich zur Front gehen.« Ich erwiderte: »Das würde ich ja tun, aber der Führer hat mich ja aus der Wehrmacht ausgeschlossen.« Er wieder: »Ich würde das trotzdem tun. Und zwar sofort. Machen Sie es gut!«
    Er hat mich also indirekt davor gewarnt, Ludwig von Hammerstein zu suchen, und ihn und mich dadurch gerettet. Hammerstein war am 20. Juli aus dem Bendlerblock entkommen und untergetaucht. Er hatte sich einen falschen Pass machen lassen, mit einem Foto mit Bart, die Fälscherin war aber aufgeflogen. Mir hatte man das Bart-Foto bei den Vernehmungen vorgelegt, aber ich hatte so getan, als würde ich ihn nicht erkennen. Nun dachte man vielleicht, ich würde nach meiner Entlassung Verbindung mit dem Gesuchten aufnehmen.
    Ich hatte einen Bekannten in Berlin aus meiner Einheit, Oberstleutnant Viktor von Schweinitz, der im Generalstab der Heeresgruppe C in Italien tätig war. Der wollte im Widerstand nicht offen mitmachen, er zweifelte am Erfolg. Ich bin aber zu ihm hin, und er hat mir Papiere ausstellen lassen, Marschpapiere nach Italien und zwei Fahrscheine, einen an die Adria und einen ans Ligurische Meer. Damit bin ich bis zum Schluss immer hin- und hergefahren, bis der Krieg zu Ende war. Ich war nie bei einer Truppe, sondern immer nur unterwegs. Schweinitz hat das später in der Bundesrepublik nie für sich genutzt. Er hat immer gesagt, er war kein Held. Er hat die Hilfe für mich sogar lange abgestritten.
    Haben Sie nach dem Krieg Anfeindungen wegen Ihrer Teilnahme am Attentat auf Hitler erlebt?
    Nie.
    Sie haben 1962 die Münchener Wehrkundetagung gegründet, aus der später die Münchener Sicherheitskonferenz wurde. Einmal im Jahr treffen Militärs und Politiker aus aller Welt zum Austausch zusammen. Inwieweit hat das mit den Erfahrungen im Widerstand zu tun?
    Es geht mir um das Verhältnis zum Krieg. Ich habe gesehen, dass die Politiker kaum Zeit für solche Debatten haben, dass sie eingezwängt sind, auch in parteipolitische Vorgaben. Aber wenn man mit den Leuten einzeln sprach, merkte man schon, dass es Brücken zwischen den Lagern gab. Das wollte ich ausnutzen mit der Konferenz. Es ist dumm zu sagen, in einer Demokratie kann man nichts machen, außer alle paar Jahre zur Wahl zu gehen. Man kann sehr wohl etwas machen. Den Politikern eine Hilfestellung geben. Mit der Erkenntnis, etwas präventiv machen zu können und eine Gesprächsebene zwischen Menschen zu schaffen, die sonst nicht so leicht zueinandergefunden hätten. Die Konferenz war somit ein mächtiges informelles Gremium während des Kalten Krieges. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks habe ich sofort das Motto ausgerufen: Kooperation statt Konfrontation und Siegerposen.

Danksagung
    Ein Porträtband wie dieser kann nur entstehen durch die Zusammenarbeit und die Unterstützung vieler Menschen. Wir Autoren möchten uns in erster Linie bedanken bei den Angehörigen und Freunden der Porträtierten, die bereit waren, ihre oft schmerzhaften Erinnerungen mit uns zu teilen und uns Zugang zu sehr privaten Unterlagen zu
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