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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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anschauen, wie der Freisler das macht. Sprich doch mal mit dem Polizeichef von Potsdam!« Der war gelegentlich im Casino eingeladen und konnte uns Karten für die Verhandlung besorgen. Und dann sind wir gemeinsam hingegangen. Es ging um den Verleger August Bonneß.
    Zunächst war Freisler nicht da, sondern sein Vize Wilhelm Crohne leitete die Verhandlung und Oberreichsanwalt Erich Lautz. Der Verleger in Potsdam soll wohl sinngemäß gesagt haben: »Bei den alten Germanen gab es eine nützliche Regel. Da haben die Stammeshäuptlinge gegeneinander gekämpft. Sollen das doch Stalin und Hitler auch tun, da bleibt dem Volk viel erspart!« Das fiel unter das Heimtückegesetz. Der Verleger wurde zum Tode verurteilt. Offenbar gab es einen Prozessfehler, deswegen wurde der Fall wieder aufgerollt. Beim zweiten Mal leitete Freisler selbst in seiner üblichen Art. Die Verteidigung hatte einen Oberstleutnant zitiert, der mit dem Verleger zum fraglichen Zeitpunkt der Äußerung zusammen in Nürnberg gewesen war, während die Äußerung in Berlin oder Potsdam gefallen sein sollte. Der Offizier wurde vorgeladen und von Freisler angefahren. »Was reden Sie da? Das ist doch gar nicht möglich! Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass Sie belangt werden können, wenn Sie hier falsch aussagen. Das gibt zehn Jahre Zuchthaus. Ich gebe Ihnen jetzt fünf Minuten Bedenkzeit!! Raus!« Nach fünf Minuten wurde der Offizier wieder reingeholt und meinte, er könne sich nicht mehr daran erinnern. Der Oberreichsanwalt forderte erneut die Todesstrafe. Und die gab es dann auch für den Bonneß. Der hatte zuvor die Tat an sich zugegeben. Daran hat sich Freisler mit seiner Begründung aufgehängt. Am Ende des Prozesses sagte Fritz Schulenburg zu mir: »Siehst du, eines haben wir gelernt, man darf nichts zugeben, unter keinen Umständen.«
    Sie sollten sich das für alle Fälle merken. Wie war er im Umgang?
    Wir hatten uns eine Wohnung über dem Casino besorgt. Schulenburg hatte so »kommunistische« Vorstellungen, dass wir nach dem Krieg den Grundbesitz aufteilen müssten. Einmal hat er Zigaretten von mir erbeten, obwohl er Pfeife rauchte. Die Zigarette hat er einfach in die Pfeife gesteckt, das hat mich sehr geschmerzt. Wein, den er mitbrachte, haben wir auch geteilt. Ein anderes Mal haben wir uns nachts unterhalten, da hat er gesagt: »Wenn uns das jetzt gelingt, was wir vorhaben, werde ich mich noch zehn Jahre dem Staat zur Verfügung stellen, dann werde ich Theologie studieren, und dann wird mein eigentliches Leben beginnen.« Diese Äußerung hat mich zutiefst beeindruckt. Das war eine ungewöhnliche Äußerung. Schulenburg interessierte sich auch sehr für Städteplanung und die Probleme zunehmender Verstädterung. Zu Beginn war er ein ziemlich strenger Nazi und sogar mit Gauleiter Koch bekannt. Er war aber auch etwas anderes, er war ein Menschenfischer. Er hat auch mich gefischt. Und Klausing wohl auch.
    Hat Schulenburg gezweifelt?
    Nein.
    War er unvorsichtig?
    Er hat immer gesagt, die Leute sollten nur so viel wissen, wie es für ihre Aufgabe notwendig ist.
    Kannte Schulenburg Ihren Vater?
    Ich habe sie mal zusammengebracht. Aber das Gespräch war nicht sehr ertragreich.
    Was waren aus Ihrer Sicht Hemmnisse für den Widerstand?
    Der Eid auf Hitler und der Satz: Ich muss Rücksicht auf meine Familie nehmen. Beides war nicht zu widerlegen. Bei beiden konnte man nicht wissen, wie wichtig das dem Gegenüber war. Und dann war da immer die Frage: Steht eigentlich die Bevölkerung hinter uns?
    Was war Ihre ganz persönliche Motivation?
    Mich interessierte vor allem das Schicksal der vielen Millionen Menschen. Ich hatte als junger Offizier das Glück, auf unterer militärischer Ebene viele Kriegseinsätze zu überstehen. Die untere Ebene ist wichtig, weil Sie dort eng mit den Leuten zusammenleben, für die Sie zuständig sind. Ich war verantwortlich für das Schicksal dieser Menschen, die mir bedingungslos vertrauten und meine Befehle ausführten. Und dann sehen Sie, wie diese Menschen sterben und verrecken. Ein Bauer, der immer nur traurig war, weil er an seine Felder und seine Familie dachte. Oder der Mensch, der für uns immer gesungen hat, der dann plötzlich mit Bauchschuss dalag und sagte: »Herr Leutnant, jetzt kann ich nicht mehr für Sie singen.« Schrecklich. Dann war ich nach einer Verwundung Ende 1941
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