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Stark (Dark Half)

Stark (Dark Half)

Titel: Stark (Dark Half)
Autoren: Stephen King
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zu, schaltete die Deckenbeleuchtung aus und forderte Thad auf, den Blick auf eine weiße Wandfläche im Sprechzimmer zu richten. Er nahm eine Taschenlampe und ließ in rascher Folge helle Lichtkreise aufleuchten und wieder verlöschen.
    »Bewirkt das, dass dir irgendwie komisch zumute ist, Junge?«
    Thad schüttelte den Kopf.
    »Dir wird nicht schwindlig? Als ob du ohnmächtig werden würdest?«
    Thad schüttelte abermals den Kopf.
    »Riechst du etwas? Faules Obst zum Beispiel oder brennende Lumpen?«
    »Nein.«
    »Was ist mit deinen Vögeln? Hast du sie gehört, während du das Licht beobachtet hast?«
    »Nein«, sagte Thad ratlos.
    »Es sind die Nerven«, sagte sein Vater später, nachdem Thad ins Wartezimmer geschickt worden war. »Der Junge ist das reinste Nervenbündel.«
    »Ich nehme an, es ist Migräne«, teilte Dr. Seward ihnen mit. »Ungewöhnlich bei einem so jungen Menschen, aber es hat schon solche Fälle gegeben. Und ich habe den Eindruck, dass er - sehr empfindsam ist.«

    »Das ist er«, sagte Shayla Beaumont nicht ohne eine gewisse Genugtuung.
    »Vielleicht kann man eines Tages etwas dagegen tun. Aber ich fürchte, fürs erste wird er es durchstehen müssen.«
    »Ja«, sagte Glen Beaumont, »und wir auch.«
    Aber es waren nicht die Nerven, und es war keine Migräne, und er konnte es nicht durchstehen.
    Vier Tage vor Halloween hörte Shayla Beaumont, wie eines der Kinder, die zusammen mit Thad auf den Schulbus warteten, plötzlich aufschrie. Sie schaute aus dem Küchenfenster und sah ihren Sohn in Krämpfen auf dem Gehsteig liegen. Neben ihm lag seine Frühstücksdose; ihr Inhalt aus Obst und Sandwiches war auf den Asphalt der Straße geflogen. Sie rannte hinaus, scheuchte die anderen Kinder beiseite und stand dann hilflos da und wagte nicht, ihn anzurühren.
    Wenn der große gelbe Bus mit Mr. Reed am Steuer nur etwas später gekommen wäre, wäre Thad möglicherweise auf dem Gehsteig gestorben. Aber Mr. Reed war in Korea Sanitäter gewesen. Er schaffte es, den Kopf des Jungen Zurückzubiegen und ihm Luft zu verschaffen, bevor er an seiner eigenen Zunge erstickte.
    Thad wurde mit einem Krankenwagen ins Bergenfield County Hospital gefahren, und als er in die Notaufnahme gebracht wurde, hielt sich dort zufällig ein Arzt namens Hugh Pritchard auf, um mit einem Freund eine Tasse Kaffee zu trinken und Golflügen auszutauschen. Und außerdem war Hugh Pritchard zufällig der beste Neurologe im Staat New Jersey.
    Pritchard ließ Röntgenaufnahmen machen und betrachtete sie eingehend. Er zeigte sie den Eltern und forderte sie auf, ihre Aufmerksamkeit auf einen undeutlichen Schatten zu richten, den er mit einem gelben Wachsstift eingekreist hatte.
    »Das hier«, sagte er. »Was ist das?«
    »Woher zum Teufel sollen wir das wissen?« fragte Glen Beaumont. »Schließlich sind Sie der Arzt.«
    »So ist es«, sagte Pritchard trocken.
    »Meine Frau sagt, es hätte ausgesehen wie ein epileptischer Anfall«, sagte Glen.
    Dr. Pritchard sagte: »Es war ein Anfall, ja, aber ich bin ziemlich sicher, dass es sich nicht um Epilepsie handelt.
    Bei einem so schweren Anfall denkt man natürlich immer zuerst an Epilepsie, aber auf den Litton-Lichttest hat Thad überhaupt nicht reagiert. Wenn Thad tatsächlich Epilepsie hätte, würden Sie keinen Arzt brauchen, der Sie darauf hinweist. Er würde sich jedes Mal, wenn das Bild auf dem Fernsehschirm flackert, in Krämpfen auf dem Wohnzimmerteppich winden.«
    »Aber was ist es dann?« fragte Shayla Beaumont schüchtern.
    Pritchard wendete sich wieder den im Lichtkasten aufgehängten Röntgenaufnahmen zu. »Was ist das?«
    wiederholte er und tippte abermals auf die eingekreiste Stelle. »Das plötzliche Aufkommen der Kopfschmerzen in Verbindung mit dem völligen Fehlen früherer Krampfanfälle deutet darauf hin, dass Ihr Sohn einen Gehirntumor hat, wahrscheinlich noch klein und hoffentlich gutartig.«
    Glen Beaumont starrte den Arzt wie versteinert an, während seine Frau neben ihm stand und in ihr Taschentuch weinte. Sie weinte lautlos, und dieses lautlose Weinen war ein Ergebnis vieler Jahre ehelicher Erziehung. Glens Fäuste waren schnell und schmerzhaft, auch wenn sie fast nie Spuren hinterließen, und nach zwölf Jahren lautlosen Kummers hätte sie vermutlich gar nicht laut weinen können, selbst wenn sie es gewollt hätte.
    »Bedeutet das, dass Sie ihm das Gehirn aufschneiden müssen?« fragte Glen mit dem für ihn typischen Mangel an Takt und Feingefühl.
    »Ganz so würde ich
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