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S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno

S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno

Titel: S.T.A.L.K.E.R. 02 - Inferno
Autoren: Bernd Frenz
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angefressen anmutender Vollbart, der verwahrlost wirkte und nicht gerade Sympathie weckte. David wusste nur wenig über den Kerl. Bloß, das er Sergiuz hieß, im Suff zu Gewalttaten neigte und die eigene Freundin halbtot geprügelt hatte, weil sie nicht für ihn auf den Strich gehen wollte.
    Typen, die Frauen schlugen, rangierten in der hiesigen Knasthierarchie nur knapp oberhalb von Kinderschändern, die in Ostrov selten länger als drei Monate überlebten und in dieser Zeit meist nur unter Schmerzen sitzen konnten. Sergiuz war erst vor zwei Monaten hierher verlegt worden und hatte noch keine Gruppe gefunden, der er sich anschließen konnte. Er war ein Einzelgänger, das hatte er mit David gemeinsam. Mit dem Unterschied allerdings, dass David keinen Schutz durch Stärkere nötig hatte.
    Sergiuz hielt in seiner Übung inne, als er den über ihm liegenden Schatten bemerkte. Vorsichtig setzte er die Langhantel auf der Halterung ab und sah blinzelnd in die Höhe. Es war kein Sonnenstrahl, der seine Lider flattern ließ, sondern aufsteigende Nervosität.
    David sprach kein Wort, sondern knetete das Frottee in seinen Händen. Er brauchte keine Drohungen zu formulieren, es war offensichtlich, was er wollte.
    Sergiuz zögerte, den Platz zu räumen. Er überlegte wohl, ob er es auf eine Konfrontation ankommen lassen sollte. Ein Sieg über den Deutschen hätte sein Ansehen in Ostrov gesteigert, doch letztlich fehlte ihm der Mut. Er hatte schon zuviel über seinen Herausforderer gehört.
    Mit einem verkniffenen Zug um die Lippen nahm er sein eigenes Handtuch auf und zog schweigend davon. David würdigte ihn keines weiteren Blickes. Nicht einmal, um auszuschließen, dass der Kerl umkehrte und ihn von hinten zu übertölpeln versuchte. David verließ sich da ganz auf seine innere Stimme, die ihm sagte, dass er gewonnen hatte.
    Seine innere Stimme - dahinter steckte mehr, viel mehr, als nur ein auf Erfahrungen basierender Instinkt. David besaß ein feines Gespür, auf das er sich blind verlassen konnte. Einen speziellen Sensor für fremde Stimmungen, der ihn Furcht, Aggression und plötzlich anschwellende Adrenalinspiegel bei anderen geradezu wittern ließ. Das hatte ihn schon manchen Bluff durchschauen und einige hinterrücks geplante Attacken vorhersehen lassen.
    In einem Gefängnis war eine solche Fähigkeit unbezahlbar.
    David hatte sie nicht immer besessen, und obwohl er sie nutzte, dachte er nicht gerne darüber nach, wie er sie erlangt hatte. Denn bei dem gleichen Ereignis waren seine Eltern verschollen. Bei einem tragischen Busunglück ums Leben gekommen, lautete die offizielle Begründung der ukrainischen Behörden. Aber auf deren Akten gab David genauso wenig, wie auf die Gründe, die ihn nach Ostrov gebracht hatten.
    Einer plötzlichen Eingebung folgend sah er zu dem östlich gelegenen Wachturm, der für die Sicherung des Sportareals zuständig war. Einer der Uniformierten, die dort Dienst schoben, war auf die rundum laufende Brüstung getreten und sah zu ihm in die Tiefe, ein Präzisionsgewehr mit Zielfernrohr in der Hand.
    Was hatte das zu bedeuten? Normalerweise ignorierten die Wachen kleinere Machtkämpfe zwischen den Gefangenen, solange es keinen offenen Schlagabtausch gab.
    David spürte ein warnendes Echo in seinem Inneren. Grübelnd sah er hinter Sergiuz her, doch sein Rivale um die Hantelbank verschwand bereits aus dem vergitterten Bereich, ohne sich noch einmal umzusehen.
    Besaß der Kerl etwa Freunde, von denen David nichts wusste? Äußerlich ungerührt, ließ sich der Deutsche auf die Bank nieder und begann sein Trainingsprogramm abzuspulen. Zwischen den Übungen, wenn er sich die Mischung aus Schweiß und Regen von der Stirn wischte, sah er unauffällig in die Höhe. Die Turmwache stand noch immer am gleichen Platz und starrte weiter auf ihn herab, das Gewehr lässig in der Armbeuge. Vielleicht sah der Kerl aber auch nur gerne anderen Kerlen beim Gewichtestemmen zu. Das kam schon mal vor, meist aber nur bei gutem Wetter.
    David war gerade dabei, seine Brustmuskulatur zu stählen, als er die harten Schritte von Ledersohlen auf Asphalt hörte. Ledersohlen trugen nur Aufseher - deshalb gelang es ihnen auch nie, sich unbemerkt anzuschleichen.
    In seinem dunkelblauen Anzug mit den glänzenden Messingknöpfen schob er sich heran, der schlimmste von allen: Valentin Krol. Ein brutaler Hund, der seinen Holzknüppel niemals aus der Hand legte.
    „Gefangener Rothe, David!", schnauzte er akzentfrei, obwohl David der
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