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Stahlstiche

Stahlstiche

Titel: Stahlstiche
Autoren: Fritz J. Raddatz
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nicht ganz so sterblich. Diese sind so unendlich vervielfältigbar, das hat die bildende Kunst nicht. Also in der Hinsicht muß ich, wenn ich ein bißchen philosophisch denke, mich längst damit abfinden, daß die Zerstörbarkeit der bildenden Kunst innewohnt. Obwohl die ganz großen Kulturen nur aus der bildenden Kunst rekonstruiert werden, müssen wir vielleicht diese Zerstörbarkeit in Kauf nehmen. Und wenn der Erdball ohnehin kaputtgehen wird, na dann kann ruhig meine Kunst auch kaputtgehen, da bin ich nicht so sentimental.
    FJR : Das ist mir klar. Ich meinte etwas anderes. Gibt es da manchmal – also, ich sage jetzt mal hochtrabend: Melancholie-Hemmungen, eine Skepsis, die dir sozusagen die Hände bindet?
    HRDLICKA : Ich bin Maniker, ich bin ein manischer Arbeiter, und ich denke in Stunden, in Tagen, wie ich etwas machen kann. Wahrscheinlich fehlt mir noch die tiefere Einsicht, aber die wird schon kommen, wenn die Knochen nachlassen oder die Muskeln nachlassen.
    FJR : Gut, das ist der physische Vorgang.
    HRDLICKA : Genau, aber momentan will ich eher was machen. Ich kann das nicht einfach beantworten.
    FJR : Wenn wir gesagt haben «Prediger», dann muß man auch das Wort sagen vom «Prediger in der Wüste». Also – wenn der Prediger das Gefühl hat, ach Gott, es hat gar keinen Sinn mehr zu predigen, und mein Wort, in deinem Fall also deine Figura, wird nicht mehr gehört, nicht mehr wahrgenommen, wozu eigentlich noch – was dann? Wir kennen das von einem deutschen Schriftsteller, Wolfgang Hildesheimer, der das wirklich nicht nur
gesagt
hat, sondern auch
tut.
Er schreibt nicht mehr. Er sagt: Ich kann nicht mehr
vis-à-vis
dieser Aussichten, es ist ohnehin vergebens. Deshalb diese letzte Frage: Ist das Element «Vergeblichkeit» für dich ein Element? Oder meißelst du das weg?
    HRDLICKA : Das meißel ich eher weg. Denn da ich sowieso an die allgemeine Vergänglichkeit glaube, bin ich so speziell von diesem Problem überhaupt nicht berührt. Schau, man kann ja nur auf Zeit schaffen, das heißt auf Zeit, auch wenn ich tot bin. Es gibt ja große Geister, die schon lange tot sind und immer noch eine Wirkung haben. Natürlich kann ich sagen, auch diese Wirkung ist zeitlich begrenzt. Ich denke nicht über die Begrenztheit meiner Wirkung nach, ich weiß nur, daß bildende Kunst eine Langzeitwirkung hat. Viel mehr, als Tagesereignisse oder viele andere Medien schaffen können. So eine lange Wirkung hat die bildende Kunst, aber irgendwann einmal hört auch diese Wirkung auf, und das regt mich weiter nicht auf. Dazu bin ich ein viel zu besessener Macher, vielleicht ist es auch ein schlimmes Wort, wenn ich das von mir selber sag. Aber die Besessenheit, etwas zu tun oder die Sache in den Griff zu bekommen – oder zu reflektieren oder zu behaupten oder zu widerlegen oder sich in Polemik zu verstricken –, das hält mich lebendig. Tod und Unsterblichkeit schließen sich ja nicht aus. Was ich das Unsterbliche an Pasolini finde, ist das Abfinden mit der Vergänglichkeit; und er hat ein schreckliches Ende genommen, und das ist das Schöne an ihm.
    Abschrift eines Fernsehinterviews aus der Reihe «Dialog», ausgestrahlt vom «Sender Freies Berlin« ( SFB ) am 10 . September 1985

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    Personenregister
    A
    Abusch, Alexander  83
    Adami, Valerio  372
    Adenauer, Konrad  48 , 66 – 68 , 82 , 96 , 116 , 138
    Adorno, Theodor W.  72 , 114 , 178 , 306
    Agnelli, Giovanni  369
    Ahlers, Conrad  25
    Alberti, Rafael  365
    Alembert, Jean-Baptiste le Rond d’  255
    Amado, Jorge  49 , 51
    Aman, Marie Rose  163
    Améry, Jean  40
    Anders, Günther  439
    Andersch, Alfred  96
    Apitz, Bruno  99
    Apollinaire, Guillaume  205
    Aragon, Louis  48 , 363 , 365
    Ardenne, Manfred von  67 , 75
    Arendt, Erich  56 , 58 – 59
    Arendt, Hannah  334
    Arendt, Katja  59
    Aristoteles  173
    Aron, Raymond  253
    Ashkenazy, Vladimir Davidovich  62
    Augstein, Rudolf  100 , 370
    Auriol, Vincent  269
----
    B
    Baader, Andreas  21 , 25
    Babel, Isaac  116 , 118
    Bach, Johann Sebastian  339
    Bacon, Francis  126 , 129
    Baez, Joan  372
    Bahr, Egon  75
    Baker, Josephine  327
    Baldwin, James  11 , 129 , 135 , 368 , 388 , 398 – 399 , 407
    Balestrini, Nanni  368
    Balzac, Honoré de  115 , 334 , 341 , 349
    Banholzer, Paula (Bie)  163 – 164 , 166 , 195 , 198 , 201
    Barenboim, Daniel  373
    Barlach, Ernst  90 – 91 , 177
    Battle, Kathleen  397
    Baudelaire, Charles  202 , 257
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