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Stadt der Vampire

Stadt der Vampire

Titel: Stadt der Vampire
Autoren: Marco Sonnleitner
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hintersten Nische der Gruft lag. Ohne Verzierungen oder eine Inschrift stand er einfach nur auf dem lehmigen Boden und wirkte wie ein Möbelstück, das jemand hier abgestellt hatte. Eine Sache war allerdings auffällig.
    »Der ist ja brandneu!«, sagte Justus und ließ den Schein der Kerze über den Sargdeckel wandern. »Und kaum ein Staubkrümelchen! Der steht hier sicher nicht einfach so rum!«
    »Meine Rede!« Peter deutete auf die schwarz glänzende Totenkiste. »Der wird täglich benützt, und zwar zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang!«
    »Das werden wir ja gleich sehen!« Justus platzierte seine Kerze so neben dem Sarg, dass sie nicht umfallen konnte und einen möglichst großen Bereich ausleuchtete, und Bob tat es ihm an einer anderen Stelle nach. Dann fasste der Erste Detektiv den Deckel am Kopfende an und sagte: »Helft mir eben, Kollegen! Werfen mir mal einen Blick da rein!«
    Bob legte die Hände an die Mitte des Sargdeckels, und Peter begab sich zum Fußende. Allerdings blieb er dem Sarg so fern wie möglich und packte mit weit zurückgebeugtem Oberkörper und ausgestreckten Armen und Fingern zu.
    Justus gab das Signal. »Okay, und jetzt langsam öffnen!«
    Zusammen hoben sie den Deckel ein Stück an. Er war nicht verschlossen und ließ sich ohne Probleme aufmachen, er knarrte nicht einmal. Stück für Stück öffneten sie die schwere Holzabdeckung, Peter kniff die Augen zusammen. Er wollte nicht sehen, wovon er überzeugt war, dass es sich ihnen gleich offenbaren würde. Und auch Bob konzentrierte sich nur auf den Deckel und vermied es zunächst, ins Innere des Sargs zu blicken. Nur Justus linste neugierig hinein, als der Spalt groß genug war.
    »Na, sieh mal einer an!«, sagte er und klappte den Deckel vollends zurück. »Was haben wir denn da?«
    »Ist er … es?«, fragte Peter atemlos. Immer noch hielt er seine Augen geschlossen.
    »Nein, der Hausherr ist nicht da, falls du den meinst«, erklärte Justus wie nebenbei und murmelte dann interessiert: »Aber er hat ein paar Sachen hiergelassen.«
    »Sachen? Was für Sachen?« Peter öffnete ganz langsam das linke Auge und schielte auf den Sarg hinab.
    »Ein Seil zum Beispiel und einen Rollengleiter!«, sagte Justus. »Richtig eingesetzt, kann man damit leicht von hier nach da schweben, wenn ihr wisst, was ich meine.«
    »Der Haken!«, erinnerte sich Bob.
    »Und vermutlich der Anbindering für Hunde«, ergänzte Justus. »Mal sehen, was wir hier noch haben.« Der Erste Detektiv griff in den Sarg und holte drei vergilbte Zettel daraus hervor. »Bibelverse!«, murmelte er erstaunt.
    »Bibelverse?«, echote Peter ungläubig.
    »Offenbarung 1,15, Chronik 4,11 und«, Justus nahm den letzten Zettel zur Hand, »2 Salomon 3,8.« Er überflog die Zeilen. »In den Versen ist jeweils ein Wort unterstrichen: Wasserfall, Gotteshaus und Hundskopf. Und auf jedem Zettel finden sich unten Initialen: R.D., F.H. und X.N.«
    »Ein Vampir, der Bibelverse sammelt?« Peter war mehr als verwundert.
    »Leute! Schlaftabletten! Und eine dicke Kanüle.« Bob hielt eine rot-weiße Medikamentenschachtel und eine große Hohlnadel in der Hand.
    Justus kniff die Augen zusammen. »Allmählich kommt Licht in die Sache.«
    »Ich fass es nicht!« Auch Peter war inzwischen mutig genug, sich dem Inhalt des Sarges zu widmen. »Das ist doch …« Mit einem leisen Rauschen entfaltete er ein riesengroßes Stück pechschwarzen Stoffs, das sich als ein prächtiges Kostüm entpuppte. »Das Kostüm einer gewaltigen Fledermaus! Dann … war das«, stammelte er fassungslos.
    »… der Flattermann, den du in der Nacht gesehen hast«, vervollständigte Justus den Satz. »Denn ich glaube ehrlich gesagt nicht«, ergänzte er mit einem verschmitzten Unterton, »dass er einer echten Riesenfledermaus gehört, die jetzt irgendwo splitterfasernackt und vor Kälte bibbernd in einer Ecke sitzt.«
    »Ein Umhang also!« Bob befühlte den weichen, satinartigen Stoff. »Nicht zu fassen!«
    »Und noch etwas liegt hier drin.« Peter drückte Bob den Umhang in die Hand. »Ein Buch.« Der Zweite Detektiv hob ein altes, dünnes Büchlein aus der Kiste und schlug es auf. »Ein Tagebuch von einem gewissen Xavier Noir.«
    »Was?« Justus sah auf einen seiner Bibelverse. »X.N.«, flüsterte er. »Was steht da?«, fragte er Peter aufgeregt.
    »Hm.« Peter ging näher an eine der Kerzen heran. »Es ist schwer zu entziffern. Aber hier, warte. ›17.4.1881‹, heißt das, glaube ich. ›Ken versetzt die Stadt … in
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