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Stadt der Masken strava1

Stadt der Masken strava1

Titel: Stadt der Masken strava1
Autoren: hoffman
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schüttelte seine dunklen Locken, sagte jedoch nichts. Arianna sah mit einem Blick, was sie zu tun hatte, obwohl sie ihn dafür hasste. Sie zog ihn zurück in den Schatten des Glockenturms und fing an, sich die Jungenkleider vom Leib zu reißen, ohne im Geringsten zu beachten, welche Wirkung das auf ihn hatte.
    Erstaunt sah der Junge zu, wie ihr braunes Haar unter der Fischermütze hervorquoll und sie in ihren weiblichen, wenn auch ziemlich abgenutzten Unterkleidern dastand und einen Rock aus der Tasche zog.
    »Schnell, hör auf mich wie ein Fisch anzustarren und zieh meine Jungensachen an, über das komische Zeug, das du trägst. Du hast nur ein paar Minuten, dann entdeckt dich jemand und schleppt dich vor den Rat.«
    Der Junge bewegte sich wie im Traum, zog folgsam die grobe wollene Hose und den Wams an, die noch warm vom Körper des Mädchens waren, während sie weitere Kleidungsstücke aus ihrer Tasche zog, sich ankleidete und dabei die ganze Zeit redete. Sie schien furchtbar wütend auf ihn zu sein.
    »Fast ein ganzes Jahr habe ich dafür gebraucht«, schäumte sie, »um diese Verkleidung zusammenzubekommen, und nun hast du mir alles verdorben. Ich muss wieder ein Jahr warten. Und das alles, um das Leben eines halb verrückten Fremden zu retten – wie heißt du eigentlich?«
    »Lucien«, erwiderte er auf die einzige Bemerkung, die er verstanden hatte.
    »Luciano«, sagte das Mädchen und sein Name klang aus ihrem Mund so anders, wie sein ganzes Leben an diesem Ort – diesem »Bellezza«, wie sie die Stadt nannte – anders schien.
    Lucien war sicher, dass das nicht der richtige Name der Stadt war, wie er auch wusste, dass sein richtiger Name nicht Luciano war, aber er beschloss, die Version des Mädchens zu akzeptieren. Hier war sowieso alles verkehrt.
    »Wie heißt du?«, fragte er und klammerte sich an das kleine Ritual des Bekanntmachens, das hier wie im normalen Leben üblich schien.
    »Arianna«, sagte sie und band sich ihr offenes Haar mit einem Spitzentuch zurück. Sie sah ihn kritisch an. »Wenigstens wirst du jetzt nicht mehr so viel Aufmerksamkeit erregen. Wie gut, dass wir ungefähr gleich groß sind. Aber sobald dich jemand ausfragt, bist du erledigt. Du musst dich an mich halten.«
    »Warum wolltest du eigentlich so tun, als ob du ein Junge bist?«, fragte Lucien.
    Arianna stieß einen tiefen Seufzer aus. »Das ist eine lange Geschichte. Komm mit. Wir gehen lieber von der Piazza und ich erzähle dir alles in Ruhe. Dann kannst du mir erklären, wie du hierher gekommen bist, ausgerechnet an diesem Tag. Ich hätte schwören können, die Einzige in der Stadt zu sein, die nicht aus Bellezza ist.«
    Sie führte ihn durch einen Bogen unter einer großen Uhr hindurch und dann durch ein Labyrinth enger Straßen, über kleine Brücken, an schmalen Wasserstraßen entlang und über verlassene Plätze. Es schien, als ob die meisten in der Stadt noch schliefen. Lucien folgte ihr. Still genoss er es, zu gehen, ohne außer Atem zu geraten, und mit diesem unbegreiflich energischen Mädchen mitzuhalten. Er spürte die Sonne, die seine Schultern durch den groben Wams wärmte, und er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so glücklich gewesen war.
    Schließlich kamen sie an einen Platz mit einem kleinen, verbarrikadierten Theater, auf dem schläfrig dreinblickende Händler Gemüsestände aufbauten und ein Mann gerade eine Taverne öffnete. Arianna verlangsamte ihr Tempo und sah sich den Mann genau an, ehe sie die Taverne betrat. Lucien folgte ihr.
    Innen roch es lecker, süße Düfte mischten sich mit beißenden Gerüchen. An der Theke standen Handwerker und tranken kleine Tassen einer schwarzen Flüssigkeit – wohl Kaffee. Arianna bedeutete Lucien sich an einen Tisch zu setzen, dann brachte sie zwei Becher mit Schokolade – eindeutig Schokolade! – und krümeliges Gebäck.
    »Also«, sagte Arianna, »was ist deine Geschichte?«
    »Erzähl du mir erst deine«, erwiderte Lucien. »Warum bist du so wütend?«
    »Du kannst eigentlich nichts dafür.« Arianna wurde zum ersten Mal seit ihrer Begegnung etwas gelassener. »Du bist mir ja nicht absichtlich dazwischengekommen. Es ist nur, dass ich den heutigen Tag schon seit langem geplant hatte.
    Wenn du tatsächlich nichts über Bellezza weißt«, hier senkte sie die Stimme zu einem Flüstern, »dann weißt du auch nicht, dass heute der Tag ist, an dem alle Fremden aus der Stadt verbannt sind, bei Todesstrafe. Es ist der Giornata Vietata
    – der Tag nach
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