Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Wozu? Über ihn hinwegfliegen wie dieser Fisch, das war es doch.
    Sieben Jahre und fünfundvierzig Tage hatte er als Sekretär am Hof gelebt, die Intrigen ertragen, die Dummheit und die Ignoranz. Es waren sieben Jahre und fünfundvierzig Tage zuviel …
    Der eiserne Pfahl, an dem sie die kleine Kuhhirtin aus Domremy mit eisernen Ketten festgebunden hatten, stand noch immer in Rouen. Für die Engländer, für Frankreich, für die ganze Welt ein Mahnmal. Jeanne d'Arc, ›la Pucelle‹ – die Hexe?
    Die Flammen hatten ihren Körper aufgelöst, was konnten sie ihrer Seele anhaben? Und der Wahrheit? Nichts. Die weiße Standarte flatterte noch immer. Und die weißen Schmetterlinge, sie flogen im blauen Himmel.
    Alain Chartiers Gesicht entspannte sich. Und die Sonne streichelte sein Gesicht. Er lächelte.
    Woher nahm sie den Zauber, der von ihr ausging? War sie schön? Am Hof war man darüber geteilter Meinung. Sie war so jung. Wie die Oberfläche eines Sees jeden Windhauch beantwortet, so war an ihren Zügen immer abzulesen, was sie bewegte. O ja, ihr Gesicht war nichts als der Spiegel ihrer Gefühle.
    »Ach, Margaret, ach, Margaret«, seufzte der Hofnarr, wich geschickt dem Schlag ihres Fächers aus und verdrehte die Augen, »wer nur hat dich uns beschert?«
    Und die Dauphine lachte, wie nur Mädchen lachen können.
    Las sie die Bücher ihres geliebten Poeten, konnten die Augen in dem klaren Oval ihres Gesichtes rauchblau wirken wie die Torffeuer ihrer schottischen Heimat. Und wenn sie sich in Trauer und Melancholie in ihre Gemächer einschloß, waren sie von unergründlichem Schmerz, so wie die Seen zwischen den kargen Bergen Schottlands.
    »Ach, Margaret, wer nur hat dich uns beschert?«
    Wer nur? Und was? – Wenn Margaret an ihre Jugend dachte, sah sie Schloßmauern, so feucht, so kalt, so düster, daß sie Verließen glichen. Und darin vernahm sie die dröhnenden Stimmen wilder Männer, die unendliche Mengen Bier vertilgten und dabei kein anderes Thema hatten als die Jagd oder den Krieg. Scharf und unbezwingbar wie ihre Schwerter war ihr Freiheitsdurst und der Löwenmut ihrer Herzen. Und schrecklich langweilig waren sie auch.
    Das fand schon die zehnjährige Margaret heraus: Nichts Langweiligeres gab's auf dieser Welt als tapfere Männer.
    Doch schließlich: Hatten die Stewarts nicht seit Anbeginn ihrer Herrschaft ihren Thron gegen die Engländer zu verteidigen? Und weil das nun mal so war, verbündeten sie sich stets mit Frankreich, dem zweiten großen Gegner Englands, denn überdies: Gut katholisch wie sie selbst waren auch die Franzosen. Die Vermählung einer Prinzessin aus dem Hause Stewart mit dem französischen Thronfolger war somit nicht nur politische Notwendigkeit, sondern geradezu ein Triumph der Diplomatie.
    So tauschte die kleine elfjährige Margaret die feuchten Mauern der schottischen Kastells mit denen des Louvre in Paris. Nun, der Louvre war damals auch nicht gerade ein Vergnügen, mehr Festung als Schloß und somit durchaus mit Perth vergleichbar. Aber diese Stadt. Das göttliche, das einzigartige Paris! Zitternd vor Leben, mit seinen herrlichen Palästen, Adelshäusern, seinen Kirchen und Marktplätzen.
    Der Bräutigam, der Margaret hier erwartete, Ludwig, Dauphin von Frankreich, war ein untersetzter, kräftiger Junge mit leuchtend blauen Augen und einer großen und dicken Nase.
    Die arme, kleine Margaret! Halb tot war sie in Paris angelangt. Halb tot von den Strapazen der Reise und Überfahrt, halb tot vor Furcht auch vor dem, was sie erwartet. Und dazu noch die dauernden Sprüche und Ermahnungen ihrer Hofdame und dieses grauenhafte, ewige Gebetsgemurmel der Äbtissin von Alford, die gleichfalls zu ihrer Begleitung gehörte. Das ›Ave Maria‹, mindestens zehntausendmal hatte sie es auf dem Schiff aufgesagt.
    Und nun der Junge mit der Nase. Komisch, gerade die gefiel ihr sofort. Sie wirkte so zuverlässig und gleichzeitig unendlich rührend, menschlich. Ludwig war nicht viel älter als sie und erschien ihr vielleicht auch deshalb so vertraut wie einer ihrer vielen Stewart-Cousins. Und so einfach wie die Mitglieder des schottischen Hochland-Clans kleidete auch er sich. Lederwams, Stiefel, Lederhosen – unter seinen herausgeputzten Pariser Höflingen mit ihren weißen, gestärkten, plissierten Kragen wirkte dieser Thronfolger bescheiden wie der letzte seiner Diener.
    Aber er konnte lachen.
    Und war unendlich zartfühlend.
    Schon als sich die große Nase über ihre Hand beugte, spürte sie es: Vor
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher