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Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dauphine war nicht gut Kirschen essen, wenn man sich ihr entgegenstellte. In ihrer Not alarmierte die Marquise de Routivières ihren Beichtvater und drohte ihm ihren Kirchenaustritt an, wenn er sich weigere, seinen ganzen sofortigen Einfluß geltend zu machen.
    Der Seelenhirte war verwirrt.
    »Welchen Einfluß?« fragte er die Marquise.
    »Den auf die Dauphine.«
    »Auf die Dauphine?«
    »Ja, verdammt noch mal!« fluchte die Gräfin. Das zeigte, in welchem Zustand innerer und äußerer Zerrüttung sie sich befand. Geflucht wurde nämlich von ihr nur noch im Ehebett, wenn sich herausstellte, daß ihr Gatte seine Kräfte wieder einmal bei einer seiner beiden Mätressen gelassen hatte.
    »Meinen Einfluß auf die Dauphine?« fragte also der Priester noch einmal und setzte gleich selbst hinzu: »Einen solchen gibt es nicht.«
    »Warum nicht?« fauchte die Marquise.
    »Ich will mal so sagen: Die Entfernung zwischen Glasgow und Edinburgh und Rom ist größer als die zwischen Paris und Rom. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Die edle Marquise sah ihre Hoffnung zerschlagen.
    »Verschwindet, Pfaffe, unnützer!« fiel sie gänzlich aus ihrer Rolle.
    Irgendein Hofschranze nahm zum Dauphin selbst seine Zuflucht. Er berichtete ihm, was sich in den Gemächern der hochedlen Gemahlin zusammenbraute. Der Dauphin jedoch schien plötzlich auch dem Wahnsinn verfallen zu sein. Er schmunzelte, schnippte mit den Fingern – allein schon diese Geste des gemeinen Volkes! –, und dann brachte er ungeheuerliche Worte zu Gehör.
    »Die Dauphine«, sagte er, »ist eine Revolutionärin, parbleu! Ich liebe solche Aventuren. Es wird noch manches fallen, manches neu erstehen in Frankreich.«
    Der Hofschranze hatte das Gefühl, es öffne sich die Erde unter ihm.
    »Ich … ich …«, stammelte er.
    Ich höre wohl nicht recht, wollte er sagen.
    »Ich … werde also der hochedlen Dame berichten«, sagte er wirklich, »daß gegen ihre Exkursion nichts einzuwenden ist.«
    »Sie soll nur zusehen«, meinte der Dauphin vergnügt, »daß sie vor Einbruch der Dunkelheit ins Schloß zurückkehrt. Erstens treibt sich nachts allerhand Gesindel draußen herum, und zweitens würde ich heute abend noch gerne eine Patience mit ihr legen.«
    Eine Patience mit ihr legen, aha, so nennt er das also, dachte der Höfling despektierlich und entwich unter einer Kette unaufhörlicher Bücklinge rückwärts durch die Tür.
    Die Dauphine hatte also wieder einmal ihren Willen durchgesetzt und erregte schon wenig später mitsamt ihrem Gefolge Aufsehen in den Straßen von Paris. Von den Händlern an den Ecken wurde billiges Obst erworben, auch kleine Leckereien, und bald trieb es die Dauphine auf die Spitze, indem sie zum Entsetzen des ganzen Hochadels um sie herum in einen ungeschälten Apfel biß und an einem offenen Stand, dessen Besitzer Wein anbot, billigen Pinard probierte, der es sogar schwer gehabt hätte, die Begeisterung der Hafenarbeiter zu erregen.
    Der sensationellen Prozession voran trippelten zwei kleine Negersklaven, die eines der galanten Geschenke des Herzogs von Orléans waren. Die armen Mohren wußten, daß sie, koste es was es wolle, drollig zu sein hatten, und hüpften deshalb unnatürlich herum, stolperten absichtlich, schlugen Purzelbäume und verabreichten sich, wenn alle Stricke rissen, wenn also partout niemand lachen wollte, mehr oder minder ernstgemeinte Ohrfeigen; spätestens dann pflegte sich in der Regel der erwünschte Erfolg einzustellen.
    Zur Ehre der Dauphine muß freilich gesagt werden, daß sie ihre gute Laune aus der Natur um sie herum bezog. Alles Grün, alle Blumen schienen ihr zuzulächeln.
    »Ist das nicht herrlich, liebste Polignac?« fragte sie ihre Freundin, die Comtesse de Polignac, und diese nickte mit ihrem schmalen, puppenhaften Köpfchen.
    Als der Bois de Boulogne erreicht wurde, sagte die Dauphine: »Was mich wundert, ist, daß die Wege so leer sind. Wo sind die Pariser? Die Pariserinnen? Ich hätte gerne mit einigen von ihnen gesprochen.«
    Ein Verdacht stieg hoch in ihr.
    »Habt Ihr das Gelände hier absperren lassen? – Präfekt!«
    Der kleine, dicke Polizeipräfekt trat beflissen aus dem verstörten Kreis und legte voller Unterwürfigkeit beide Hände auf die Brust, was lächerlich und dumm zugleich aussah.
    »Königliche Hoheit?«
    »Ob Ihr das Gelände hier absperren ließet, will ich wissen.«
    Er wand sich.
    »Die Verantwortung für Eure Sicherheit …«
    Er brach ab und begann noch einmal: »Die Verantwortung für Eure
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