Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stadt der Liebe

Stadt der Liebe

Titel: Stadt der Liebe
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
ihm brauchst du keine Angst zu haben … Was ihr aber neu war und geradezu aufregend: Ludwig fand so viel Gefallen an ihren Einfällen, Streichen und Gedanken. Stundenlang konnte er mit ihr reden und sie anstrahlen. Und so redeten sie, bis die Worte die letzten Barrieren zwischen ihnen eingerissen hatten.
    »Du bist bezaubernd«, sagte er dann. »Du weißt gar nicht, wie bezaubernd du bist. Und ich danke dem Himmel, daß er mir dich geschickt hat. Und Paris, gefällt es dir?«
    »Wie soll es mir gefallen?«
    »Wie?«
    »Ich sage, wie kann es mir gefallen? Ich kenne es doch gar nicht.«
    »Oh, das wird sich schon noch ändern.«
    Aber es änderte sich nicht.
    Die Mauern des Louvre blieben so dick wie zuvor. Wenn sie nur aus diesem Gefängnis entrinnen könnte … Die Jahre vergingen, und er merkte es nicht. Er war an dieses Leben gewöhnt. All die prächtigen Bilder, die da hingen, die schweren, königlichen Möbel, die Gobelins und Wandbehänge – das Gefühl, ersticken zu müssen, unter so vielen Steinen begraben zu sein, das blieb.
    »Ludwig, warum ziehen wir denn nicht nach Les Tournells?«
    »Nach Les Tournells? Wieso denn nach Les Tournells?«
    »Wieso denn nicht?«
    »Was sollen wir denn in Les Tournells?«
    »Was wir dort sollen? Leben. Atmen. Unter Bäumen spazieren gehen … Ich könnte mir ein Reh ziehen. Das tat auch meine Schwester. Oder Hunde halten. Und Fasanen. Es blüht dort, in Les Tournells. Aber hier – ach, dieser Louvre …«
    »Dieser Louvre ist nun mal das Schloß der Könige von Frankreich.«
    »Aber du bist der Dauphin.«
    Sein rechter Mundwinkel zuckte, die Nase wurde rot. Aber du bist der Dauphin und nicht König, hieß das … Sie hätte es nicht sagen dürfen. Sie wußte, sie hatte ihn an seinem wundesten Punkt getroffen. Sein Vater Karl war der König. Aber was für ein König? Verbarg sich auf irgendeinem seiner Schlösser, verkroch sich in seiner Kapelle, um über Schuld und Nichtschuld nachzudenken, magerte ab wie ein Hühnchen und lebte mit einer Mätresse zusammen, der er blind jeden Wunsch erfüllte. Agnes Sorel, so hieß der wahre Herrscher Frankreichs. ›Kronprinz Nase‹ sah in ihr seinen größten Feind, und schon deshalb richteten sich die Hoffnungen Frankreichs auf ihn. Die Großen im Lande nannten ihn ›Sire‹, als sei er bereits König. Und nun kam sie mit dem Verlangen, er solle aus dem Schloß der Könige ausziehen.
    »Warum nicht? Ja, wieso denn nicht? Du hast recht. Licht, Luft und grüne Bäume! Und Sonne … Und billiger ist Les Tournells allemal. Dann brauche ich nämlich nicht diesen ganzen Stall von aristokratischen Halbaffen zu bezahlen, die mir hier im Louvre die Laune vermiesen.«
    Sie hatte ihn geküßt. Les Tournells – eine Ansammlung von hübschen, kleineren und größeren Häusern nahe des Flusses wurde gelüftet und frisch gestrichen. Möbel wurden herbeigeschafft, und sie zogen ein.
    Nun hatte sie Springbrunnen, einen Goldfischteich, hatte Pfauen und ein Reh, die Sonne wärmte sie, wenn sie im Garten spazieren ging und eines der Gedichte las, die sie so liebte –, aber Mauern, die gab es auch hier.
    Margaret begann zu träumen. Doch nur Geist und Fantasie vermögen Mauern zu überfliegen, der Körper kann es nicht … Margarete von Schottland, die Dauphine, hatte es sich in den Kopf gesetzt, diesen sonnigen Mittag zu einem Spaziergang im Bois de Boulogne auszunützen. Als sie dies verlauten ließ, kam die Wirkung davon einer Bombe gleich, die im Schloß einschlug. Das hatte es noch nie gegeben. Der ganze Hofstaat geriet in hellste Aufregung. War die Dauphine wahnsinnig geworden? Was hatte sie da gesagt? Sie wollte in den Bois de Boulogne? Zu Fuß? Nicht in einer Equipage? Ohne Zweifel, ihr Verstand mußte plötzlich in Verwirrung geraten sein.
    Die Haushofmeisterin erstarrte, als ihr die Kammerzofe der Dauphine die ungeheuerliche Nachricht überbrachte.
    Zwei der ältesten Hofdamen fielen in Ohnmacht, nachdem sie, obwohl in ganz verschiedenen, weit voneinander abliegenden Zimmern weilend, in völlig gleichen Worten ihr Entsetzen zum Ausdruck gebracht hatten – nämlich so: »Das kann nur die niederen Ständen aufwiegeln!«
    Ein ausgedienter Hofmarschall erklärte zornbebend seiner Frau, daß auf solche Ideen nur ein Weib kommen könne.
    Die Marquise de Routivières fühlte sich ihrem Ende nahe. Sie war die Leiterin der Zeremonien und wußte, daß es vor allem ihre Aufgabe war, einen solchen öffentlichen Skandal zu verhindern. Aber wie?
    Mit der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher