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Spurlos

Spurlos

Titel: Spurlos
Autoren: Manuela Martini
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hoben sich auf einer Sitzgruppe die Silhouetten von vier Personen ab. Zwei davon waren Frauen. Sie hatten das Gesicht in ihre Richtung gewandt.
    Woher sollte sie wissen, wer Valerie Tate war – vielleicht befand sie sich im Gerichtssaal ? Sie bemerkte einen Sheriff im blauen Hemd, der am Treppengeländer lehnte.
    „Entschuldigen Sie!“
    Er sah auf. Sein Gesicht war sonnenverbrannt.
    „Ich suche Valerie Tate.“
    Er hob die Hand und deutete auf die Sitzgruppe.
    „Die Linke von den beiden.“
    Alison wäre am liebsten wieder umgekehrt. Sie holte Luft und ging auf die Sitzgruppe zu. Beide Frauen sahen sich ähnlich: glattes, dunkles, schulterlanges Haar, gleichmäßige Züge, unauffällige Nase – und beide trugen Schwarz. Die Ältere trug eine schwarze Robe, Valerie Tate eine weiße Bluse. Valerie Tate - die Sechsundzwanzigjährige, die mit ihrem Mann schlief.
    „Ms Tate?“, fragte sie als sie bis etwa zwei Meter herangekommen war. Tatsächlich sah die junge Frau auf. „Ich muss mit Ihnen sprechen.“ Alison achtete nicht auf die anderen drei Personen, in deren Unterredung sie eben geplatzt war. Valerie Tate sah sie an als ahne sie, wen sie vor sich hatte. Hatte Matthew ihr ein Bild gezeigt: Und das ist meine Frau?
    „M a’am“, das war die Ältere. „Wir sind gerade in einer Besprechung.“ Ihr Ton war autoritär.
    „Es ist wichtig.“ Alison sah dabei Valerie Tate an, die endlich aufstand, eine Entschuldigung murmelte und ihr zum Fenster mit dem Palmen- und Meerausblick folgte. Dort angekommen drehte sich Alison zu ihr um.
    Valerie Tates Gesicht war verschlossen und arrogant.
    „Ich bin Alison Griffith, Matthews Frau.“
    Das Gesicht zeigte keine Regung. Kein Hochziehen der Augenbrauen, kein Erbleichen, kein Erröten, dieselbe starre Miene, derselbe nichts sagende Blick.
    „Wir sind seit achtzehn Jahren verheiratet, wir haben eine Tochter. Wir haben unser gemeinsames Leben. Lassen Sie meinen Mann in Ruhe. Sie sind jung genug. Suchen Sie sich jemand anders.“ Ihre Stimme hatte gezittert, aber was spielte das für eine Rolle? Ihre Worte waren klar und deutlich gewesen.
    Endlich veränderte sich Valerie Tates Ausdruck. Alison bemerkte ein leichtes Zucken der Mundwinkel.
    „ Alison, es tut mir leid. Aber Matt liebt mich.“ Sie sprach ohne Angst, ohne Aggressivität, ohne Hochmut – als sei es das Selbstverständlichste von der Welt, dass Matthew nicht seine Frau sondern sie, Valerie Tate, liebte.
    Alison schluckte ihre Wut herunter und erwiderte:
    „Wenn Sie ihn auch lieben, dann lassen Sie ihn in Ruhe. Sie zerstören sein Leben!“
    Valerie Tate lächelte nachsichtig.
    „ Alison, Matt ist verrückt nach mir. Ich bin schwanger. Er will sich scheiden lassen.“
    Alison brachte kein Wort hervor.
    „… es tut mir leid für Sie, Alison, wirklich.“
    Diese Person brachte es auch noch fertig, aufrichtig zu klingen.
    „Und jetzt entschuldigen Sie mich, Alison, ich habe eine wichtige Verhandlung vorzubereiten.“ Valerie Tate drehte sich auf dem Absatz um und ging gelassen zurück zur Sitzgruppe.
    Alison schluckte. Oh, wie hatte sie sich blamiert! Sie hätte vor Wut schreien können! Und dann hätte Sie etwas darum gegeben, im Erdboden zu versinken! Die drei anderen Personen standen auf und steuerten auf eine breite Tür auf der linken Seite zu. Valerie Tate warf ihr noch einen kurze Blick zu, dann verschwand auch sie hinter der Tür.
    Auf dem Weg zurück zu ihrem Wagen dachte Alison an die Schlägertypen; und dann hakte sich ein Gedanke in ihrem Hirn fest: wie würde sich Matthew wohl fühlen, wenn er von seiner jungen Geliebten verlassen würde?
    Sie fuhr wieder ins Büro, besorgte im letzten Augenblick Megs Sandwich, brachte irgendwie den Nachmittag herum und fällte schließlich eine Entscheidung. Sie wür de heute Abend etwas Besonderes kochen, sie würde herausfinden, ob er sie noch immer liebte – und dann würde sie Matthew ganz offen fragen, warum er sich von ihr abgewendet hatte. Und vielleicht, dachte sie, vielleicht haben wir ja noch eine Chance...

6

    Jeannies Finger glitten an ihrem Hals entlang, über die Kette aus kirschgroßen perlmutt -schimmernden Perlen der Arafura See. Die Rundung fühlte sich wunderbar kühl und glatt auf ihrer Haut an. Sie hörte das sanfte Schlagen der Wellen in der einsamen Bucht, in der diese Perlen gewachsen waren, sie schmeckte das Salzwasser auf der Zunge, spürte den Wind in ihrem Haar. Was war schon ein Diamant, scharf geschliffen, glasklar und hart
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