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Spuren des Todes (German Edition)

Spuren des Todes (German Edition)

Titel: Spuren des Todes (German Edition)
Autoren: Judith O'Higgins , Fred Sellin
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man zu sehen bekommt, an das Innere einer Muskatnuss.
    Oder »Zuckergussmilz«. Damit wird das charakteristische Aussehen der Milz bei einer Kapselhyalinose, der Einlagerung transparenter Substanzen, beschrieben. Gekennzeichnet ist es durch eine zuckergussartige grau-weiße Verdickung und Verfärbung der Milzkapsel.
    Eingebürgert haben sich aufgrund des Aussehens auch Begriffe wie »Schinkenmilz« und »Bauernwurstmilz«. Und auch »Wabenlunge«. Davon spricht man, wenn das normale Lungengewebe kleinzystisch degeneriert und größtenteils durch dünnwandige Hohlräume ersetzt wird, so dass die neuentstandene Gewebestruktur an eine Honigwabe erinnert. Eine solche »Wabenlunge« stellt das Endstadium einer Lungenfibrose dar.
    Auch für die Beschreibung der Größenverhältnisse oder der Form werden gern Vergleiche mit Lebensmitteln, speziell mit Obst, herangezogen. Der Begriff »kirschkerngroß« wird sehr häufig verwendet, in verschiedenen Zusammenhängen, oder auch »olivenförmig«. Ein Kripobeamter meinte mal zu mir, nachdem er ein Sektionsprotokoll gelesen hatte: »Man bekommt den Eindruck, Rechtsmediziner und Pathologen hätten ständig Hunger.«
     
    Mittlerweile weiß ich natürlich, wie viel an Einzelheiten ich Dave zumuten kann. Ohnehin beschränke ich mich auf die interessantesten Fälle und beschreibe sie meistens so, dass keine Gefahr besteht, dass er gleich in Ohnmacht fällt. Nur einmal, da ist das gründlich schiefgegangen. Nicht, weil er umgekippt wäre. Das, was ich erzählte, betraf jemanden, den Dave und ich gut kannten. Allerdings wusste ich das an dem Tag selbst nicht, obwohl ich dessen Leiche gesehen hatte. Das war die Sache mit Chris.

X. Chris
    Ein Sommertag wie aus dem Bilderbuch. Die Sonne schien vom blauen Himmel, Schäfchenwolken trieben in Zeitlupe über die Stadt. Wäre es nicht so früh am Morgen gewesen und auf den Straßen nicht so voll, hätte ich das Verdeck meines Roadsters aufgemacht und wäre offen zur Arbeit gefahren. Später, auf der Rückfahrt, dachte ich, würde ich das bestimmt tun.
    Ich war auf dem Weg nach Uxbridge, einer Stadt im Westen von London, nur ein paar Meilen vom Flughafen Heathrow entfernt. Uxbridge gehört zur Grafschaft Middlesex, ist aber gleichzeitig das Verwaltungszentrum des Stadtbezirks Borough of Hillingdon, der sich im äußersten Westen von Greater London erstreckt. Normalerweise ist das nicht mein Einsatzgebiet. Aber Uxbridge unterliegt der Zuständigkeit des Coroners, der für West London verantwortlich ist, und für den arbeite ich. Der dazugehörige Coroner’s Court befindet sich in Fulham, Uxbridge ist praktisch eine Außenstelle davon. In dem Gebäude, in dem die Leichenhalle untergebracht ist, sitzen einige Sachbearbeiter des Coroner’s Office. Von dort hatte mich der Anruf erreicht: Die zuständige Rechtsmedizinerin sei im Urlaub, ob ich nicht aushelfen könne?
    Ich hatte einen Augenblick mit mir gerungen, da abzusehen war, dass ich in der Woche nicht gerade unterbeschäftigt sein würde. Montag, Dienstag und Donnerstag musste ich in Portsmouth arbeiten. Dort habe ich in der Regel vier bis fünf Leichen pro Tag. Und danach würden noch die Protokolle zu schreiben sein. Wenn ich Uxbridge zusagte, das konnte ich mir leicht ausrechnen, würde das Wochenende für diesen Teil meiner Arbeit draufgehen. Aber dann hörte ich mich trotzdem sagen: »Mittwoch und Freitag gingen zur Not, da könnte ich einspringen.«
     
    Genau zehn Tage zuvor war ich das erste Mal in der
Mortuary
in Uxbridge gewesen, der Leichenhalle. Gewissermaßen ein Notfall. Ich hatte gerade Dienst in Fulham gehabt, als sie jemanden suchten, der schnellstmöglich kommen konnte, um eine Obduktion durchzuführen. Also hatte ich meine Arbeit zu Ende gebracht und mich mit einem Taxi dorthin fahren lassen.
    Die Leiche war vom Flughafen Heathrow zur Mortuary in der Kingston Lane gebracht worden: ein amerikanischer Wissenschaftler von einer namhaften Universität in Kalifornien. Der fünfundsechzigjährige Professor, Umweltbiologe und Klimaforscher, hatte an einer Konferenz in Schweden teilgenommen und war auf dem Flug von Göteborg nach London zusammengebrochen. Ein Zahnarzt und eine Krankenschwester, die zufällig an Bord waren, hatten erste Hilfe geleistet und versucht, ihn zu reanimieren, was ihnen jedoch nicht gelungen war. Und auch die Rettungskräfte des London Ambulance Service, die nach der Landung direkt zum Flugzeug aufs Rollfeld fuhren, hatten dem Sterbenden nicht mehr helfen
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