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Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)

Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)

Titel: Spürst du den Todeshauch: Thriller (German Edition)
Autoren: Mary Higgins Clark
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und seitdem in Chicago als Anwalt für Bau- und Immobilienrecht gearbeitet. Kewanee, die Kleinstadt in Illinois, in der er aufgewachsen war, lag knapp hundertfünfzig Kilometer davon entfernt.
    In den zurückliegenden Jahren hatte er alle paar Wochen die zweistündige Fahrt auf sich genommen, um mit seiner Mutter zu Abend zu essen. Er war acht Jahre alt gewesen, als seine zwanzigjährige Schwester Tracey das örtliche College abgebrochen hatte und nach New York gegangen war, um als Musical-Star am Broadway groß herauszukommen. Er sah sie immer noch vor sich, als wäre es erst gestern gewesen. Sie hatte lange kastanienbraune Haare, und der Schalk saß ihr in den blauen Augen, die sich aber auch ziemlich verfinstern konnten, wenn sie wütend wurde. Seine Mutter und Tracey waren ständig wegen ihrer Schulnoten und ihrer Kleidung aneinandergeraten. Eines Tages kam er zum Frühstück nach unten, und seine Mutter saß weinend am Küchentisch. »Sie ist fort, Mark, sie ist fort. Sie hat einen Zettel dagelassen. Sie will nach New York und eine berühmte Sängerin werden. Mark, sie ist doch noch so jung. Und so starrköpfig. Sie wird in Schwierigkeiten geraten, ich weiß es.«
    Mark hatte seine Mutter in den Arm genommen und versucht, die eigenen Tränen zurückzuhalten. Er hatte Tracey angebetet. Sie hatte ihm Bälle zugeworfen, als er mit dem Baseballspielen angefangen hatte. Sie hatte ihn ins Kino mitgenommen. Sie hatte ihm bei den Hausaufgaben geholfen und von berühmten Schauspielern und Schauspielerinnen erzählt. »Weißt du, wie viele von denen aus Kleinstädten wie der unseren kommen?«, hatte sie gefragt.
    An jenem Morgen hatte er seine Mutter gewarnt. »Tracey schreibt, dass sie dir ihre neue Adresse geben will. Mom, versuch nicht, sie zu überreden, dass sie zu uns zurückkommt, das wird sie nicht tun. Schreib ihr, dass es in Ordnung ist und dass du dich freust, wenn sie ein großer Star wird.«
    Es war die richtige Entscheidung gewesen. Tracey hatte regelmäßig geschrieben und alle paar Wochen angerufen. Sie hatte Arbeit in einem Restaurant gefunden. »Ich bin eine gute Bedienung, durch das Trinkgeld kommt einiges zusammen. Ich nehme Gesangsunterricht und habe in einem Off-Broadway-Musical mitgespielt. Es hat nur zu vier Vorstellungen gereicht, aber es war toll, auf der Bühne zu stehen.« Dreimal war sie für ein langes Wochenende nach Hause geflogen.
    Dann, nach insgesamt zwei Jahren in New York, erhielt ihre Mutter eines Tages einen Anruf von der Polizei. Tracey war verschwunden.
    Zwei Tage war sie nicht mehr zur Arbeit erschienen. Da sie sich auch nicht mehr am Telefon meldete, suchte ihr Arbeitgeber, der Restaurantbesitzer Tom King, ihre Wohnung auf. Dort war alles in Ordnung. Laut ihrem Kalender hatte sie am Tag nach ihrem Verschwinden und am Ende der Woche jeweils einen Termin zum Vorsprechen. »Zum ersten Termin ist sie nicht erschienen«, teilte King der Polizei mit. »Wenn sie beim zweiten auch nicht auftaucht, stimmt etwas nicht.«
    Seitdem wurde sie von der New Yorker Polizei als vermisst geführt. Ein Vermisstenfall unter vielen, dachte Mark auf der Fahrt zu dem einfachen neuenglischen Holzhaus, in dem er aufgewachsen war und das mit seinen pechschwarzen Dachschindeln, der weiß gestrichenen Fassade und den leuchtend roten Tür- und Fensterrahmen etwas Fröhliches ausstrahlte. Er bog in die Einfahrt und hielt an. Die Lampe über der Tür warf ihr Licht auf die Eingangsstufen. Seit fast achtundzwanzig Jahren ließ seine Mutter die Lampe die ganze Nacht brennen, nur für den Fall, dass Tracey nach Hause kam.
    Roastbeef, Kartoffelbrei und Spargel – das hatte er sich als Abschiedsessen gewünscht. Sobald er die Tür öffnete, zog ihm köstlicher Bratenduft entgegen und sagte ihm, dass seine Mutter ihm seinen Wunsch nach allen Regeln der Kunst erfüllt hatte.
    Martha Sloane wischte sich die Hände an der Schürze ab und kam aus der Küche geeilt. Sie war vierundsiebzig Jahre alt, war früher sehr schlank gewesen und hatte sich mittlerweile auf Größe42 eingependelt. Ihre weißen, gewellten Haare umrahmten ebenmäßige Gesichtszüge. Sie schloss ihren Sohn fest in die Arme.
    »Du bist wieder einen Zentimeter gewachsen«, begrüßte sie ihn.
    »Gott bewahre«, protestierte Mark. »Ich passe ja so schon nur mit Mühe in ein Taxi.« Er war eins achtundneunzig groß. Sein Blick fiel auf den Esstisch, wo das Silberbesteck und das gute Porzellan aufgedeckt waren. »Na, das nenne ich aber ein feierliches
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