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Splitter

Splitter

Titel: Splitter
Autoren: Sebastian Fitzek
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Sicherungshebel und schob den Lauf zurück, um eine neue Patrone zu aktivieren. Und dann passierte das, womit er gerechnet hatte. Sein Bruder biss die Zähne zusammen, ignorierte die gleißenden Schmerzen und belastete sein verletztes Bein. Als Nächstes sprang er nach vorne, um Marc die Waffe zu entreißen. Doch der scherte nach rechts und wich zur Terrassentür aus. Fast hätte er die Klinke nicht mehr fassen können, weil Benny ihn am Jackenärmel gepackt hielt.
    Strauchelnd riss er die Tür auf und warf die Pistole im hohen Bogen über die Balustrade, während er von seinem Bruder nach hinten gerissen wurde.
    Sie stolperten, und für einen Moment lagen sie keuchend nebeneinander. Erschöpft, ausgelaugt, verletzt.
    Marc wollte sich abwenden, doch es ging nicht. Er spürte ein nie zuvor da gewesenes Gefühl, das ihn innerlich in zwei Stücke riss. Eine Mischung aus väterlicher Rachsucht und brüderlicher Liebe. Schließlich sah er Benny in die tiefbraunen, tränenfeuchten Augen, wusste nichts zu sagen, und ihm blieb auch keine Gelegenheit mehr, darüber nachzudenken, denn diesmal war er nicht darauf vorbereitet. Es ging alles viel zu schnell.
    Benny schlug ihm den Ellbogen ins Gesicht, sprang auf und humpelte zur offenen Glastür. Er zog sein verletztes Bein hinter sich her, stöhnte vor Schmerzen, und es war glatt auf den Steinfliesen der Terrasse. Und dennoch hatte Marc keine Chance mehr, ihn einzuholen. Sein Bruder, der gerade zum Sprung über das Geländer ansetzte, war unerreichbar weit von ihm entfernt.
73. Kapitel
    Es war Absicht. Benny nahm das Geländer wie ein erschöpfter Hürdenläufer, das rechte Bein voran. Dabei wedelte er mit den Armen, als wolle er sich von der kahlen Trauerweide im Park verabschieden, deren Krone das Klinikgebäude um Meter überragte. Er drückte die Brust nach vorne, machte ein Hohlkreuz und sah für einen Moment aus wie ein Fallschirmspringer, kurz bevor der Schirm sich öffnet. Und dann blieb sein linker Fuß an der Geländerkante hängen.
    Die vereisten Sprossen zitterten hohl. Benny schien sich noch im Sprung umdrehen zu wollen, ruderte mit dem rechten Arm nach hinten, und da bestätigte sich Marcs Verdacht: Es war kein Zufall. Benny hatte den Sprung ausgebremst, wollte sein Fallen hinauszögern und sich in letzter Sekunde doch noch am Geländer festhalten.
    Aber wieso?
    Sterne tanzten vor seinen Augen, als Marc aus dem Büro in den Schneeregen hinauswankte.
    Bennys Hand war von der Kante abgerutscht, aber er hatte wenigstens eine Sprosse zu fassen bekommen. Jetzt hing er an einem Arm hinter der Absperrung, seine Beine strampelten. Er versuchte, auch mit dem anderen Arm Halt zu finden, doch die Metallstreben waren so eisig, dass seine Hände immer wieder abrutschten.
    Er will sich wieder nach oben ziehen. Er hat es sich anders überlegt.
    Marc eilte ihm zu Hilfe, schlitterte mehr, als dass er auf seinen Gummisohlen vorankam. Derweil waren Bennys Finger vollends von den Sprossen abgerutscht, und er klammerte sich jetzt mit bei den Händen an eine schmale Zierleiste.
    Als Marc endlich bei ihm war, hing er nur noch an den ersten Gliedern seiner Finger.
    Marc beugte sich über das Geländer, sah senkrecht nach unten und begriff, weshalb Benny mitten im Sprung abgebrochen hatte.
    Zu hoch.
    Er hatte sich die falsche Seite für seinen Sprung ausgesucht.
    »Hirntod, aber das Herz muss noch schlagen. Mach es so, wie ich es dir gezeigt habe.«
    Schon bei drei Stockwerken war fraglich, ob die Organe den Sturz ohne Prellungen überlebten. Doch hier ging es noch viel tiefer nach unten, denn Constantin hatte vor dem Ostflügel eine Baugrube ausheben lassen. Für einen Anbau, eine Tiefgarage oder ein Schwimmbad für die Rehapatienten; der Zweck war von hier oben nicht erkennbar, wohl aber die Wirkung, die ein Sturz aus dieser Höhe haben würde.
    Benny wird dort unten zerplatzen.
    Zumal das Fundament der Grube mit Stahl matten ausgelegt war. Kein Strauch, kein Rasen, keine Erde. Dort unten gab es nichts, was den Sturz hätte abmildern können. »Scheiße«, flüsterte Benny. Er versuchte sich nicht zu bewegen, um ja nicht abzurutschen. Seine kalten Finger waren blutleer, lange würde er sich nicht mehr halten können. »Ich helfe dir«, sagte Marc. Von seiner Seite aus konnte er nichts ausrichten. Er stieg über das Geländer und balancierte auf dem kleinen Mauervorsprung, an den Benny sich klammerte. Die Gummisohlen seiner Turnschuhe fanden kaum Halt auf dem nassen Stein. »Okay«, sagte
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