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Spion Für Deutschland

Spion Für Deutschland

Titel: Spion Für Deutschland
Autoren: Will Berthold
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merkte ich zum erstenmal, daß ich tatsächlich frei war. Frei! Am Leben! Auf dem Rückweg!
    Unterwegs nach Deutschland!
    »Tanzen Sie?« fragte die Dame, die mir Gesellschaft leistete.
    »Nein«, erwiderte ich. Ich wollte ihr den Grund erklären, aber es gelang mir nicht.
    »Ich habe es mir gleich gedacht«, sagte sie.
    Wir saßen noch eine halbe Stunde zusammen, dann ging ich in meine Kabine.
    Ich konnte nicht schlafen, obwohl ich hier nicht alle zwei Stunden zum Zählappell geweckt wurde.
    Ich ging zurück an Deck. Ich pumpte meine Lungen mit salziger Seeluft voll. Ich überlegte, wie oft ich den Atlantik schon überquert hatte, aber es fiel mir nicht ein. Die deutsche Abwehr war jahrelang für meine Reisespesen aufgekommen.
    Ich wechselte die Koffer, die Länder, die Uniformen, die Namen. Ich reiste als Oberst, als General, als Schwede, als Amerikaner, mit Sonderflugzeug, im Diplpmatenabteil oder mit eigenem U-Boot. Die Aufträge wurden immer größer, immer härter, immer verzweifelter. Ich marschierte auf der Straße des Teufels.
    — Keiner tut das ungestraft.
    Eine Stunde später gelang es mir, endlich einzuschlafen. Während ich zurückfuhr, träumte ich alle Einzelheiten meiner letzten Ausreise aus Deutschland. Ich hatte mich in Berlin gemeldet bei Abteilungsleiter Müller II im Amt VI. Er hatte ein rosiges, etwas rundliches Gesicht, roch nach Kölnisch und suchte nach Worten. Seine Hände waren sorgfältig gepflegt.
    »Ich habe kein gutes Gefühl, Gimpel«, sagte er. Er blieb stehen. »Mit neunzig Prozent Wahrscheinlichkeit wird man Ihr U-Boot versenken. Geschieht das nicht, so faßt man Sie mit neunzig Prozent Sicherheit bei der Landung in Amerika. Geschieht das nicht, dann erwischt man Sie mit neunzig Prozent Sicherheit bei der Arbeit. Rechnen Sie sich Ihre Chancen aus!«
    »Das habe ich bereits, Herr Oberst«, erwiderte ich.
    »Ich kann es Ihnen nicht verübeln, wenn Sie unterwegs kehrtmachen und Meldung erstatten, daß die Sache gescheitert ist. Sie verstehen mich?«
    »Nein, keineswegs.«
    Ich will nichts sagen. Nichts, außer ein paar Höflichkeiten. Ich weiß noch nicht, ob ich schweigen oder sprechen sol . Solange ich das noch nicht weiß, wird selbst der geschickteste Reporter nichts aus mir herausbekommen. Jetzt sind auch deutsche Presseleute hinter mir her. Einer ist mir nach Plymouth entgegengeflogen und beobachtet mich auf Schritt und Tritt. Stündlich werde ich in die Funkkabine gerufen, um Radiotelefongespräche zu führen. Ich habe einen Vorgeschmack dessen, was mich in Hamburg erwartet.
    »Waren Sie gern Spion?« fragt man mich. »Nein, keineswegs.« »Waren Sie bei der Partei?« »Nein.«

    »Haben Sie Hitler gut gekannt?«
    Ich mußte lächeln. Wie sich die Leute einen Spion vorstellten. Ich war Soldat wie jeder andere. Nur an einer besonders teuflischen Front. Ich habe mich nicht dorthin gemeldet. Auch die anderen Soldaten haben sich nicht an eine bestimmte Front gemeldet. Wir waren Angestel te des gemeinsten Arbeitgebers, den die Welt kennt: des Krieges.
    »Haben Sie Eltern, die Sie erwarten?« »Nein.«
    »Auch keine Frau?« »Nein.«
    »Wo werden Sie hingehen?« »Ich weiß es noch nicht.« »Al es Gute«, sagen die Reporter. »Alles Gute«, erwidere ich.
    Jetzt trennen mich noch ein paar Stunden von Hamburg. Ich will unerkannt von Bord gehen. Die Schiffsoffiziere helfen mir dabei. Auch das Deutsche Rote Kreuz spielt mit. Man fragt eine deutsche Austauschstudentin:
    »Wol en Sie für zehn Minuten Frau Gimpel sein?« An ihrem Arm verlasse ich durch einen Seitenausgang knapp über der Wasserlinie die >Italia<.
    Niemandem fällt das ungleiche Ehepaar auf. Eine einzige Fotografin merkt den Bluff und drückt auf den Auslöseknopf. Aber ich entkomme dem Haupttrubel.
    Ich steige in einen Wagen des Roten Kreuzes. Ich komme in das Lager
    Friedland. Ich bin wieder daheim. Man gibt mir Entlassungsgeld und einen Spätheimkehrerpaß. Damit ich unbehel igt bleibe, steckt man mich für ein paar Wochen in das Müttererholungsheim Marxzeil im Schwarzwald.
    Die Sonne scheint. Zu guter Letzt noch hat sich der Spätsommer auf seine Pflicht besonnen. Um sechs Uhr morgens schon gehe ich in den Wald. Die Leute grüßen mich freundlich. Abends sitze ich in der >Marxzeller Mühle<, esse Forellen und trinke Moselwein. Mein Magen spielt noch nicht ganz so mit wie die Zunge. Es ist ruhig hier und friedlich. Die meisten Sommergäste sind schon abgereist. Eine Dame aus Karlsruhe erholt sich von einer Operation.
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