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Spielzeugsoldaten

Spielzeugsoldaten

Titel: Spielzeugsoldaten
Autoren: Filipa Leemann
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kommen nur selten vollzählig wieder. Ich bin die einzige Konstante in diesem Team. Sie sind Zivilistin und meines Erachtens weit davon entfernt für eine Kriegssituation vorbreitet zu sein. Ich werde keine Ze it haben auf S ie aufzupassen. S ie werden dort nicht lange überleben.“
    Rakus be müht unbewegter Gesichtausdruck, beeindruckte Juli wenig. Sie hatte noch immer einen unerschütterlichen Glauben daran, dass die Regierung sie nicht bewusst gefährden würde. Aber vielleicht war das auch nur ein Gedanke, der sie vor ihrer eigenen Angst schützen sollte.
    „Das ist nicht I hr Ernst.“
    „Doch das ist es und ich dulde auch keinen Widerspruch. Und wenn ich S ie persönlich auf der Fahrt aus dem Lastwagen werfen muss. Sie werden unter meiner Begleitung nicht in die Nähe der Frontlinie gelangen.“
    Je mehr dieser blasierte Major gegen sie war, desto mehr wollte Juli dabei sein, desto stärker wurde ihr Wille. Sie fühlte sich provoziert. Vielleicht war ihr wirklich nicht das Ausmaß dieser Situation bewusst, aber ihr Stolz ließ es nicht zu, dass sie einen Fehler zugab. Nicht jetzt. Nicht heute. Diese Frau, die da versuchte ihr ihre Entscheidungen ausz ureden, konnte noch so schön, noch so faszinierend sein, das würde sich Juli von keinem gefallen lassen.
    „Sie haben I hre Befehle.“
    Mehr Argumente fielen Juli nicht ein. Major Avis musste Befehlen gehorchen, das wusste sie, und sie erweckte nicht den Eindruck, als hätte sie schon jemals einen Befehl verweigert.
    „Unfälle passieren.“
    Raku hatte bemerkt, dass sie keinerlei Chance auf Zustimmung hatte. Juli Quivive würde mitkomme n, ob sie es wollte oder nicht.

- Kapitel 2 -
    Raku hatte sich kurz vor der Abfahrt noch einmal in ihre Stube zurückgezogen. Den Kopf tief in ihre Hände vergraben saß sie auf ihrem Bett im Halbdunkel. Durch die zugezogenen Vorhänge drang nur spärlich das Abendlicht in den kleinen Raum.
    Das erste Mal seit vielen Jahren dachte sie darüber nach, ob sie zurückkehren würde. Früher war sie sich immer ihrer Stärke und ihrer Fähigkeiten sicher gewesen. Sie hatte ein gottloses Selbstvertrauen, so dass sie niemals auch nur einen Gedanken daran verschwendet hätte, ob sie überlebte oder nicht. Es war als hätte sie die Verletzlichkeit von Juli Quivive d aran erinnert, dass es ein Leben außerhalb der Truppen gab, dass sie ihr Leben für etwas aufs Spiel setzte an das niemand mehr glaubte. Eigentlich n icht einmal sie selbst. Juli war doch der beste Beweis: Sie konnte sich den Krieg nicht vorstellen. Sie rannte einfach so in ihr Verderben, aus lauter Neugier. Seit damals, seit diesem einen Tag, der sie fast das Leben gekostet hatte, war alles langsam, aber sicher , anders geworden. Raku spürte, dass sie sich mittlerweile ohne nachzudenken einem Schicksal fügte, das man ihr prophezeit hatte. Sie hielt es noch heute für Humbug , was sie ihre Retter gelehrt hatten, doch sie konnte nicht leugnen, dass es Eindruck hinterlassen hatte.
    Für ihre Soldaten würde sie immer kalt und b erechnend sein. S ie würde der stoische, grausame Soldat sein auf den sie vertrauten. Keiner von ihnen würde sie jemals so sehen, wie sie jetzt da saß. Wie sie nachdachte und sich irgendwann selbst dabei ertappte, wie sie um jemanden trauert, der noch am Leben war. Ob sie Juli auch dabei zusehen musste, wie sie ihren letzten Atemzug tat?
    „Sie wird sterben wie alle anderen“ , flüsterte Raku, „und ich werde wieder überleben, so wie ich alle anderen überlebt habe.“
    Für einen Moment fragte sie sich, warum sie sich gerade um die Journalistin solche Gedanken machte, denn jeder andere ihrer Einheit konnte genauso fallen. Aber war der Unterschied nicht, dass ihre Jungs mittlerweile wussten , worauf sie sich eingelassen hatten? Jeder hatte schon mal einen Einsatz mitgemacht. Sie kannten, was sie erwartete, und sie waren dafür ausgebildet worden. Vielleicht waren sie nur halb so gut wie Raku es war, aber sie waren ausgebildet. Juli nicht. Sie war in dieser Schlacht nur Kanonenfutter, mehr nicht. Raku war sich sicher, das s niemals jemand auch nur eine Zeile über diese Schlacht würde lesen können, denn Juli würde nie eine verfassen.
    ‚Ich bin ohnehin schon eine verlorene Seele. Wenn ich zurückdenke wie viele Männer ich gnadenlos niedergemetzelt habe, dann werde ich in der Hölle bra ten bis ans Ende aller Zeiten ’ , dachte sie.
    Sie wusste, dass sie niemanden retten konnte. Und auch wenn Juli ihr wie ein kleines Kind erschien,
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