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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage
Autoren: Ronald Reng
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Offerte anzunehmen. Es reichte ihm das Wissen, dass er Angebote bekam.
    Vereinswechsel waren etwas für Nationalspieler, die von den Italienern in Geld gebadet wurden, oder für Halunken, die sich nicht mehr zu Hause sehen lassen konnten. Auch wenn alle prophezeiten, dies würde mit Gründung der Bundesliga anders werden. Die Vereine würden nun auch die besseren Oberligaspieler von Bremen nach Nürnberg oder von Saarbrücken nach Braunschweig locken. Doch warum sollte er, fragte er sich, wenn er in Leverkusen doch alles hatte, die Freunde, die Familie, die Doris, von der noch wenige wussten; das gemachte Bett, ausreichend Geld, die Blicke der Mädchen in der City-Bar und die Kapitänsbinde sonntags im Stadion.
    Wenn ihr das Handgeld von 5000 auf 12000 Mark erhöht, dann bleibe ich, sagte er jovial zu Bayers Fußballobmann Peter Röger, wochentags nach dem Training, beim ersten Bier im Gasthaus Krahne, wo die Mitspieler nicht mehr so viel tranken wie noch vor drei, vier Jahren. Heinz Höher hatte sich, in einem seiner Briefe an sich selbst, auch vorgenommen: »Zwei Tage vor dem Spiel keinen Alkohol mehr und überhaupt den Flüssigkeitshaushalt regeln!«
    »Einen Tag vor dem Spiel keine Frau!«, schrieb er noch darunter.
    Heini, bei allem Verständnis, 12000 auf die Hand, das können wir nicht zahlen, sagte Röger. Wenig später wurde daraus eine offizielle Absage des Vorstands: Es würden bei Bayer 04 keine höheren Beträge fließen, nur weil andernorts die Vereine wegen der Bundesligagründung finanziell durchdrehten. Das gelte für alle Spieler, auch für den Kapitän, den Amateurnationalspieler, den Vereinshelden mit der Nummer 7.
    Die Ablehnung trifft dich nicht, sagte sich Heinz Höher, das juckt dich nicht. Wenn sie dich nicht mehr wollen, dann gehst du halt weg. Ihm würde keiner etwas anmerken, was sollte man ihm anmerken, er war doch nicht verärgert.
    Als Heinz Höher überlegte, wie man es am besten anstellte, den Verein zu wechseln, erinnerte er sich daran, wie er vor gut einem halben Jahr, im Juni 1962, in das leere Haus in der Moltkestraße gekommen war. Seine Mutter, die in die Kirche oder sonst wohin gegangen war, hatte ihm einen Zettel auf der Schuhkommode am Eingang hinterlegt.
    Lieber Heini!
    Fisch ist im Eisfach. Tue ihn in das Wasser mit der Zitrone. Wenn es kocht, ist er fertig. Ich hoffe, dass du das hinbekommst. Briefe in Deinem Zimmer. Mutter.
    Er hatte die Post aus dem Zimmer geholt, bevor er den Fisch kochte, und ein Schreiben mit fremder Briefmarke in den Händen gehalten. Auf einem DIN-A5-Blatt mit rotem Briefkopf, das aussah wie eine Restaurantrechnung, wandte sich der Football Club de Metz an ihn. Sie hatten ihn beim Spiel der deutschen Amateurnationalelf gegen Frankreich in Merlebach gesehen und würden ihn gerne zu einem Engagement in Metz bewegen. »Möchten Sie bitte so freundlich sein, um uns mitzuteilen, ob Sie Interesse hätten, nach Frankreich zu kommen zum F. C. Metz als Profispieler und eventuell zu welchen Bedingungen.«
    Er hob den Brief als stolzen Beweis seiner Klasse auf und antwortete nie. Jetzt, acht Monate später, schimpfte er sich, wie unhöflich er gewesen war.
    Er konnte nicht warten, dass vielleicht noch ein Brief eintreffen würde, er musste sich aktiv um einen neuen Verein bemühen. In Leverkusen konnte er auf keinen Fall mehr bleiben, er hatte mit Manglitz und dem verrückten Klima geredet, denen wollte Bayer auch nicht das Handgeld oder Gehalt erhöhen, obwohl sie bereit waren, für Leverkusen auf die Bundesliga zu verzichten. Dann sind wir weg, hatten Manfred Manglitz, der Torwart, und Halbstürmer Uwe Klimaschefski gesagt. Da musste er mitziehen. Heinz Höher schickte ein Bewerbungsschreiben an Bayern München. Auf seinen Reisen mit der Amateurnationalelf hatte er einen Bayern-Spieler kennengelernt, Werner Olk. Ihn bat er, seinen Brief an Bayern Münchens Präsidenten Wilhelm Neudecker zu überreichen. Wenige Tage später erhielt Heinz Höher Post aus München.
    München, den 5. 2. 1963
    Sehr geehrter Herr Höher!
    Unser Vertragsspieler Herr Werner Olk hat mir Ihren freundlichen Brief übergeben.
    Als Vorsitzender des FC Bayern München teile ich Ihnen nach Rücksprache mit meinem Spielerausschuß-Vorsitzenden und unserem Trainer Herr Schneider mit, daß wir uns freuen würden, Sie als Spieler zu unserer Mannschaft zu bekommen.
    Leider hängt ja für uns die Bundesliga-Lizenz auch noch sehr hoch. Andererseits bin ich aber überzeugt, daß, falls wir nicht
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