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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage
Autoren: Ronald Reng
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haben. Für berufliches Fortkommen wird gesorgt.«
    Das Interesse des 1. FC Saarbrücken endete allerdings nach einem Treffen. In einem sechs Zeilen langen Brief teilte Saarbrückens Geschäftsführer Reinhard Lenhof Höher hochachtungsvoll mit, dass »unser Club gewillt ist, unter allen Umständen die Bestimmung des Lizenzspieler-Statuts innezuhalten und daher außer Stande ist, Ihre finanzielle Forderung zu erfüllen«. So deutlich ließ sich über Schwarzgeld reden, ohne den Begriff zu benutzen.
    Der VfB Stuttgart dagegen zeigte sich hartnäckig interessiert an Heinz Höher. In einem Brief vom 9. März 1963 kündigte Stuttgarts Zweiter Vorsitzender Konrad Rieker Höher den Besuch eines Herrn des VfB bei der Oberligabegegnung Leverkusen gegen Schalke 04 an. Riekers Sekretärin, die seine Briefe abtippte, war sich des Vornamens von Herrn Rieker nicht ganz sicher. Mal schrieb sie Konrad mit K, mal mit C. Vornamen zählten wenig, auch im Fußball, wo der Herr Zweite Vorsitzende Rieker mit dem Sportkameraden Höher korrespondierte und nie vergaß, am Ende sportliche Grüße zu übermitteln.
    Würdest du mit mir nach Stuttgart gehen?, fragte Heinz Höher bei einem Spaziergang im Stadtpark eine junge Frau, deren Name, das war in Leverkusen mittlerweile bekannt, Doris lautete. Obwohl sie noch keinen Verlobungsring von ihm trug, durfte sie ihn angeblich schon in der Moltkestraße besuchen. Die Mutter tat so, als ob sie nichts merkte.
    In Bayers Werkskantine hatte er zur Mittagspause plötzlich vor Doris gestanden. Natürlich wusste sie, wer er war. Sie hatte ihn schon als Jungen in der Hildegard-Kirche gesehen. Doris arbeitete als kaufmännische Angestellte bei Bayer, ihr Vater war bei Bayer, die Familie wohnte in einer der Mietswohnungen der Farbenfabriken. Einmal fragte man sie, ob sich nicht Modell stehen könne für eine Anzeige von Bayer, mit ihrer graziösen Figur.
    Sie wollte niemals weg aus Leverkusen. Und nun fragte er sie, ob sie mit ihm nach Stuttgart ginge. Doris schluckte. Dann sagte sie Ja, und es fühlte sich wie ein richtiges Jawort an.
    Leverkusen spielte gegen Schalke 0:0. Die Zuschauer pfiffen Heinz Höher aus, der es nach Meinung der einen mit den ständigen Dribblings übertrieb und nach Ansicht der anderen nur faul herumstand.
    Danach wartete er jeden Tag gespannt auf eine Nachricht aus Stuttgart und fürchtete sich gleichzeitig vor ihr. Sein Bruder Manfred hatte bereits ein Telefon im Geschäft Betten-Höher auf der Hauptstraße. Aber der VfB Stuttgart meldete sich nicht mehr.
    Fußballmakler Schwab hätte in Kürze herausfinden können, was los war. Aber Heinz Höher rief ihn nicht an. Er schämte sich zu sehr seines misslungenen Spiels gegen Schalke. Nach 14 Tagen hielt er es nicht mehr aus. Er schrieb dem Herrn Zweiten Vorsitzenden Rieker, um sich höflichst für sein unzulängliches Spiel gegen Schalke zu entschuldigen. Er könne es Rieker nicht verdenken, falls das Stuttgarter Interesse an ihm nach diesem traurigen Spektakel erloschen sei, wolle Rieker aber darauf hinweisen, dass er einfach einen jener unerklärlichen Tage erwischte, an denen die Beine nicht den Befehlen des Gehirns gehorchten.
    Auf nichts konnte er so wütend sein wie auf sich selbst. »Hast du schon vergessen«, schrieb er an sich selbst, »was du dir am 12. September 1959 vornahmst, als dir vor dem Olympia-Qualifikationsspiel gegen die DDR die Röte ins Gesicht stieg, wie der Boden unter deinen Füßen wegsank, weil du nicht in der Elf standst?
    1) Nicht mehr links und rechts schauen!
    2) In jedes Spiel so hineinlegen, als ob es ein Länderspiel wäre!
    3) In jedem Training die Organe zum Wachsen bringen!«
    Nächsten Sonntag gegen Wuppertal würde er es allen zeigen. Er dachte auch daran, nicht mehr jeden Abend von Montag bis Donnerstag in die Gasthäuser zu gehen. Aber er trank doch zum Skat nur zwei Bier und einen Klaren.
    Leverkusen verlor gegen Wuppertal 2:4, die Zuschauer pfiffen, am Ende der Woche erreichte ihn die Antwort von Konrad Rieker:
    »Sehr geehrter Sportkamerad Höher! Über Ihre freundlichen Zeilen vom 2. April 63 habe ich mich sehr gefreut, mehr noch über Ihre Offenheit und geübte Selbstkritik. Ihre Zeilen haben mir gerade aus diesem Grund sehr imponiert.« Dass Heinz Höher seit dem angekündigten Besuch eines Stuttgarter Herrn beim Spiel Leverkusen gegen Schalke ohne Nachricht geblieben war, habe besondere Gründe. Die Mutter von Herrn Schnaitmann, dem Spielausschussvorsitzenden des VfB, der ihn im
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