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Spieltage

Spieltage

Titel: Spieltage
Autoren: Ronald Reng
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Westen treffen wollte, starb leider einen Tag vor der Reise, weshalb Herr Schnaitmann den Besuch in Leverkusen zurückstellen musste.
    Der VfB Stuttgart sei weiterhin sehr daran interessiert, ihn zur Verstärkung seiner Mannschaft zu gewinnen. Der VfB lasse sich grundsätzlich weder in positiver noch in negativer Weise von Leistungsschwankungen in einem Spiel beeinflussen, vielmehr beurteile er das Können und konstante Leistungsvermögen. »Beides ist doch bei Ihnen vorhanden, denn anders wäre Ihre Verwendung in der deutschen Amateurauswahl und in der Oberligamannschaft von Bayer Leverkusen nicht erklärlich.« Zur genauen Abklärung der Dispositionen der Stuttgarter Herren werde sich Konrad Rieker bald wieder telefonisch mit ihm in Verbindung setzen.
    Doris fragte nicht mehr danach, wie es mit Stuttgart stand. Sie hatte zu Hause gelernt, dass das meiste einfacher war, wenn sie Ja sagte und wartete, was geschah.
    Die Saison ging dem Ende entgegen, in drei Monaten startete die Bundesliga. Rieker stellte weiter Besuche des Stuttgarter Herren in Aussicht, die sich dann verschoben. Von Bayern München hörte Höher nichts mehr, fragte aber auch nicht nach. Die Bayern mussten, als dritte Kraft in ihrem Bundesland hinter dem 1. FC Nürnberg und 1860 München, in die zweitklassige Regionalliga hinunter.
    Bei Leverkusens letztem Saisonspiel in Aachen gab sich Stuttgarts Spielausschussvorsitzender Ernst Schnaitmann dann doch noch die Ehre, Höher zu beobachten.
    Heinz Höher hatte öfter das Gefühl, schlecht gespielt zu haben, wenn seine Leistung alle anderen beeindruckt hatte. Es war die Fußballerkrankheit: Bei Spitzensportlern, die den Anspruch an sich selbst stellten, makellos zu agieren, brannten sich zwei, drei kleine Fehler immer tiefer ein als ein insgesamt ordentlicher Auftritt. In Aachen allerdings war Heinz Höher mit sich zufrieden, auch wenn sie 1:2 unterlagen. Er hatte einige elegante Momente geschaffen.
    Am 21. Mai, zehn Tage nach dem Spiel, schrieb ihm Konrad Rieker plötzlich kurz und bündig: »Nach Überprüfung aller Fragen und Möglichkeiten ist der VfB Stuttgart nunmehr zur Überzeugung gelangt, dass er die Voraussetzungen für Ihren Wechsel für Sie nicht zufriedenstellend zu schaffen imstande ist.«
    Aber hatte er denn in Aachen nicht ordentlich gespielt?
    Erst viel später erfuhr er durch die stille Post der Fußballszene, was Schnaitmann in Stuttgart berichtet habe: Der Höher sei in Aachen mindestens fünfmal ins Abseits gelaufen. Solch dumme Spieler hätten sie selbst genug im Schwabenland.
    Die letzte Oberligasaison war vorüber. Heinz Höher verabschiedete sich von den Mitspielern in Leverkusen.
    Wohin wirst du wechseln?
    Das ist noch nicht abzusehen.
    Jetzt sage schon, über welche tollen Angebote verfügst du?
    Heinz Höher lächelte nur.
    Er schlief in den Tag hinein, trainierte im Keller am Punchingball, wartete auf der Schwimmbadwiese, dass Doris von der Arbeit kam, und spielte nachts in der Schatzkammer oder beim alten Bäcker Schramm in der Backstube Skat. So vergingen Wochen, in denen kein Verein nach ihm fragte. Zu Heinz Höhers großen Stärken gehörte es nach seiner eigenen Meinung, Gefühle wie Verzweiflung stets vor allen anderen zu verstecken.
    Wenige Tage vor Trainingsbeginn zur ersten Bundesligasaison wurde Heinz Höher, der es nach Meinung der anderen verstand, das Leben mit einer unerhörten Leichtigkeit zu nehmen, vom Meidericher SV angeworben. Überraschend war der Sportverein aus dem Duisburger Vorort in die Bundesliga aufgenommen worden.
    Rechtlich stand Leverkusen keine Ablöse zu, da Höher als Amateur geführt wurde, aber als Bayer 04 sich deswegen gegen den Wechsel sträubte, wurde das Problem auf kreative Art gelöst. Meiderich verpflichtete auch noch Leverkusens begabten Torwart Manfred Manglitz und bezahlte für ihn eben die doppelte Ablöse.
    Manglitz, der in Köln lebte, könne ihn zum Training mitnehmen, schlug Heinz Höher vor, dann spare sich ihr neuer Verein einmal das Fahrgeld. Meiderichs Vorsitzender Walter Schmidt war begeistert: Was für ein vernünftiger Fußballspieler! Heinz Höher hielt es nicht für nötig, Schmidt oder Manglitz aufzuklären, warum er eine Mitfahrgelegenheit in die Bundesliga suchte. Er hatte wegen Trunkenheit am Steuer für ein halbes Jahr den Führerschein verloren.

Das Jahr null
Die Mannschaft des Wirts
    Zum Trainingsauftakt des Meidericher SV brachte der neue Trainer Rudi Gutendorf zwei Dinge mit, um die Mannschaft und
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