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Spiel mit dem Tod (German Edition)

Spiel mit dem Tod (German Edition)

Titel: Spiel mit dem Tod (German Edition)
Autoren: Anne Gold
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versinken. Dabei war die Euro eine echte Chance, die Schweiz in Europa zu präsentieren. Aber darüber war in den Zeitungen natürlich nichts zu lesen. Gedankenversunken schüttelte der Kommissär den Kopf und bahnte sich einen Weg durch die Menschen, die kamen und gingen. Der Bahnhof schluckte die Massen unermüdlich, um sie im selben Moment wieder auszuspucken. Menschen über Menschen und ein jeder mit seiner ganz persönlichen Geschichte. Was trieb sie an? Was bewegte sie? Ferrari liebte es, sich mögliche Schicksale auszudenken. Schöne und traurige, die unterschiedlicher nicht sein konnten.
    Am Eingang zum Bahnhof nahm der Kommissär eine Gratiszeitung aus dem Kasten und starrte auf die Titelschlagzeile. «Messerstecherei unter Kosovoalbanern nimmt drastisches Ausmass an!» So ein Mist. Muss denn immer gleich übertrieben werden?, ärgerte sich Ferrari. Gut, die Kriminalität nahm wirklich zu, die Hemmschwelle für Gewalt sank ständig, aber nicht nur bei der ausländischen Bevölkerung. Und über die Integrationspolitik konnte man sich streiten. Viele sprachen inzwischen vom Versagen der Politik angesichts der drohenden Gettoisierung in einzelnen Quartieren, wo der Ausländeranteil bald vierzig Prozent betrug. Mit zunehmender Tendenz. Die einzelnen Kulturen blieben unter sich, von der geplanten Integration weit und breit keine Spur. Und die Politiker schauten wie gelähmt zu, die Linken genauso wie die Rechten. Eine gewisse Resignation hüben und drüben, doch die brachte die Stadt keinen Schritt weiter. Währenddessen wuchs der Missmut in der Bevölkerung, denn allen war klar, so konnte und durfte es nicht mehr weitergehen. Man musste in der Migrationspolitik neue Wege beschreiten. Auch und nicht zuletzt, um einen weiteren Rechtsrutsch in der Schweiz zu verhindern. Basisarbeit war angesagt.
    Ferrari stand vor dem beeindruckenden Zollgebäude. Nachdem sich der Kommissär angemeldet hatte, erschien ein strahlender, gutaussehender Mann, dem man seine knapp sechzig bei weitem nicht ansah. Wenn ich in vierzehn Jahren noch so gut aussehe, kann ich zufrieden sein, dachte Ferrari.
    «Ja, bitte?»
    «Ferrari, Francesco Ferrari», stellte sich der Kommissär holprig vor.
    «Freut mich, Herr Ferrari. Was kann ich für Sie tun?»
    «Nun, ehrlich gesagt, ich weiss es nicht genau.»
    Hans Rost lachte.
    «Grundlos suchen Sie mich bestimmt nicht auf, oder?»
    «Können wir hier irgendwo ungestört einen Kaffee trinken? Ich bin in einer privaten Angelegenheit hier. Es ist dringend.»
    «Eine private und dringende Angelegenheit? Sie machen mich neugierig. Auf der Bahnhofsarkade ist ein Restaurant. Doris, ich bin für eine halbe Stunde weg», rief er seiner Kollegin zu.
    Der Kaffee war gut und stark. Obwohl Ferrari normalerweise den Kaffee ohne Zucker trank, schüttete er langsam zwei Beutelchen rein. Alles, um Zeit zu gewinnen.
    «Ich bin von der Basler Polizei, Herr Rost. Es geht, tja es geht um Ihre Frau.»
    Rost wurde innert Sekunden aschfahl.
    «Um Himmels willen, ist ihr etwas passiert?»
    «Wie? Nein, beruhigen Sie sich, bitte, sie ist wohlauf.»
    «Mein Gott, jetzt haben Sie mir aber einen gehörigen Schrecken eingejagt, Herr Ferrari.»
    «Es ist wohl besser, wenn ich jetzt zur Sache komme.»
    Ferrari berichtete über das Gespräch am frühen Morgen, betonte, dass Christina Rost verzweifelt wirkte und die Befürchtung äusserte, ihr Mann könnte sich etwas antun. Rost sass ruhig da und nickte nur.
    «Eigentlich geht mich ja die Sache nichts an, es ist eher ein …», er führte den Satz nicht zu Ende.
    «… ein Fall für den Psychiater, das meinten Sie doch.»
    «Wenn es überhaupt ein Fall ist.»
    «Nun mal ehrlich, halten Sie mich für verrückt?»
    «Nein! Ganz und gar nicht. Aber ich habe schon oft Fälle erlebt, in denen sich ein psychisch Kranker enorm gut verstellen konnte.»
    «Also bin ich doch gestört?»
    Ferrari musste nun lachen.
    «Nein, ich habe Sie ein wenig beobachtet, bevor Sie wussten, um was es geht. Sie sind bestimmt so normal wie ich.»
    «Das beruhigt mich ungemein. Sie müssen wissen, Christina ist wahnsinnig besorgt um mich. Und ich habe ihr auch Grund dafür gegeben.»
    «Und der wäre?»
    «Edith, unsere Tochter. Sie ist vor drei Jahren mit fünfundzwanzig ausgezogen. Nicht im Streit, wohlverstanden. Ein ganz normaler Vorgang. Sie lernte einen jungen Mann kennen und zog mit ihm zusammen. Edith ist mein Ein und Alles. Ich habe mich nicht damit abfinden können, dass sie jetzt einem anderen
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