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Spiel mir das Lied vom Glück

Spiel mir das Lied vom Glück

Titel: Spiel mir das Lied vom Glück
Autoren: Cathy Lamb
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nicht gebrauchen, du taugst nur als Dekoration eines toten Baumes in der Hölle.
    Ich war unterwegs zu meiner Tante Lydia in Oregon. Alle Angehörigen unserer kaputten Familie hielten sie für verrückt, was bedeutete, dass sie die einzig Vernünftige in der ganzen Mischpoke war.
    Robert würde mich suchen, aber es würde eine Zeitlang dauern, bis er mich fand, da meine Mutter in der letzten Woche mit ihrem neusten Liebhaber nach Minnesota durchgebrannt war und ihm die Adresse von Tante Lydia nicht würde geben können. Fast musste ich lachen. Das würde Robert ganz und gar nicht gefallen.
    Aber er würde kommen. Rasend vor Wut und Demütigung, und mit einer kranken, perversen Bestrafung.
    Meine Hände zitterten. Ich umfasste das Lenkrad fester.
     
    Tante Lydia ist die Schwester meiner Mutter. Während meine Mutter sage und schreibe fünf Mal verheiratet war, ist meine Tante ledig geblieben.
    Sie lebt auf einer Farm in der Nähe der Kleinstadt Golden in Oregon in einem geräumigen, hundert Jahre alten Bauernhaus.
    Als ich klein war, zahlte Lydia das Flugticket, damit ich im Sommer sechs Wochen lang bei ihr sein konnte. Diese Wochen waren immer der Höhepunkt des Jahres, ein Hort der Ruhe, ohne die Wutanfälle meiner Mutter und die tastenden Hände und geballten Fäuste ihrer Freunde.
    Vor zwei Jahren – da hatte ich Robert noch nicht kennengelernt – besuchte ich wieder einmal Tante Lydia. Als ich eintraf,
stand sie mit entschlossenem Gesichtsausdruck vor ihrem Haus, die Hände in die Hüften gestemmt.
    Sie nahm mich in die Arme und drückte mich, zweimal, dreimal. »Das Haus ist ganz deprimiert, Julia!«, rief sie, so wie es ihre Art ist. Sie spricht niemals leise, sondern immer mit voller Lautstärke, aus vollem Halse. Eine leichte Brise wehte ihr das lange graue Haar ins Gesicht. »Es ist unruhig. Ängstlich, traurig. Es muss aufgeheitert werden!«
    Meine Koffer standen neben mir, ich hatte noch mein Geschenk in der Hand – ein großes gelbes Sparschwein. Ich wusste, dass es ihr gefallen würde.
    »Dieses Haus muss rosa werden!« Lydia stieß den Finger in die Luft. »Wie eine Kamelie. Wie eine Muschi!«
    In der Woche strichen wir das Haus rosa – wie eine Kamelie und wie eine Muschi. Die Fensterläden wurden weiß. »Die Tür dieses Hauses muss schwarz sein«, verkündete Tante Lydia, und ihr lautes Organ vertrieb die Vögel aus dem nächsten Baum. »Das schützt vor bösen Geistern, Krankheit und miesen Typen, die können wir nämlich gar nicht gebrauchen, stimmt’s, Schätzchen?«
    »Nein, Tante Lydia«, bestätigte ich und schob meine Brille die Nase hoch. Damals war ich seit vier Jahren mit keinem Mann mehr ausgegangen, weshalb für mich eventuell auch ein mieser Typ in Frage gekommen wäre, aber das sagte ich nicht laut. Der letzte, mit dem ich aus gewesen war, hatte sich diskret erkundigt, ob ich nennenswertes Geld von Seiten der Familie hätte. Als ich verneinte, ging er zur Toilette und kehrte nicht mehr zurück. Ich blieb auf der Rechnung sitzen.
    Wir strichen die Haustür schwarz.
    Während meines Besuchs blieben immer wieder Autos mit quietschenden Reifen vor Tante Lydias Haus stehen. Nicht weil es aussah wie rosa Mäusespeck mit einem schwarzen Brandloch und auch nicht, weil sie acht Toiletten im Vorgarten hatte.
    Trotzdem, das mit den Toiletten muss ich kurz erzählen: Zwei stehen unter einer Tanne, zwei neben der vorderen Veranda, der Rest ist über den Rasen verstreut.
    Alle Klos sind weiß. In jeder Jahreszeit bepflanzt Tante Lydia sie mit Blumen: Geranien im Sommer, Chrysanthemen im Herbst, Stiefmütterchen im Winter und Petunien im Frühling. Die Blumen wuchern aus diesen Toiletten, dass es eine wahre Pracht ist.
    Mit ihrem Freund Stash, einem Farmer, hat Lydia eine große, geschwungene Holzbrücke mitten auf den grünen Rasen gebaut. Die Brücke ist schwarz-weiß kariert, das Geländer violett, blau, grün, gelb, orange und rot gestrichen. Ja, genau wie ein Regenbogen.
    Im Vorgarten stehen vier Spaliere wie Wächter, im Sommer umrankt von blühenden Kletterrosen. Die Blüten drängen sich dicht an dicht, neigen sich von oben in blassrosa, dunkelroten und jungfräulich weißen Kaskaden herab.
    Doch ich glaube, der eigentliche Grund, warum die Autos quietschend anhalten, ist das, was unter den Spalieren steht: riesige Schweine aus Ton. Ganz recht, Schweine. Gut ein Meter fünfzig groß. Tante Lydia liebt Schweine. Jedes Schwein hat ein Schild mit seinem Namen um den Hals: Little Dick, Peter
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