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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition)
Autoren: Monika Feth
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immer eine Reihe von Ministerien beherbergte.
    Es gab in Maxims Augen nichts Langweiligeres als eine Ansammlung reicher Menschen. Das machte auf Dauer alles kaputt, die Kunst, den Alltag, die Gefühle. Bloßer Reichtum war ermüdend. Wenn man dem nichts entgegenzusetzen hatte, verlor man auch noch den letzten Rest seiner Kreativität.
    Und doch liebte Maxim den Reichtum auch. Geld übte eine starke Anziehungskraft auf ihn aus. Ein gut gefülltes Konto vermittelte Kontakte. Es verlieh seinem Besitzer Freiheit und Selbstbewusstsein. Reiche Menschen bewegten sich anders. Sie wurden wahrgenommen, geachtet, umworben.
    Reiche Menschen bestimmten, wo es langging.
    Niemals wollte Maxim mittellos sein. Nie wieder abgleiten in die Welt seiner Kindheit. Der Vater ein kleiner Angestellter in einer Firma, die Sanitärartikel herstellte, die Mutter Hausfrau, die beiden Geschwister ohne Ehrgeiz und ohne Träume.
    Sein eigentlicher Name war Maximilian und stand für alles, was er an seiner Kindheit gehasst hatte. Er hatte ihn abgelegt, sobald er nach Berlin gezogen war.
    Maxim.
    Ein glitzernder Name. Geheimnisvoll.
    Ein Name, wie für ihn erdacht.
    Maxim.
    Nichts sollte ihn an früher erinnern, nichts.
    Maxim besaß ein Talent, an Geld zu gelangen. Die Leute drängten es ihm förmlich auf. Er nahm es ohne schlechtes Gewissen. Schließlich gab er ihnen etwas dafür zurück– er schenkte ihnen Aufmerksamkeit, was sie glücklich machte.
    Menschen brauchten das, gesehen und beachtet zu werden. Sie lechzten nach Anerkennung und Freundlichkeit. Dafür taten sie fast alles. Es fiel Maxim nicht schwer, ihre Bedürfnisse zu erspüren und zu befriedigen. Er musste nur Distanz wahren, durfte ihnen nicht zu nahe kommen.
    Manche nannten ihn gefühlskalt.
    Sie hatten ja keine Ahnung.
    Bei Björn war ihm diese Distanz abhanden gekommen. Björn hatte seine Seele berührt. Und von da an war alles anders gewesen.
    Maxim liebte ihn. Liebte ihn wirklich.
    So sehr es ihm möglich war, einen Menschen zu lieben.
    Fünf Uhr. Allmählich verabschiedete sich der Tag. Er dämpfte das Licht der Sonne, streute Schatten zwischen den Häusern. Wind strich durch die Straßen. Die Leute zogen die Schultern hoch und beschleunigten ihre Schritte.
    Die schmutzigen Finger der Marktfrauen schauten verfroren aus dicken Wollstulpen hervor. Ihre Stimmen waren kräftig, fast einschüchternd. In einem einförmigen Singsang priesen sie ihre Ware an, tranken zwischendurch Kaffee aus dampfenden Bechern.
    Maxim betrachtete die Rokokofassade des Alten Rathauses. Die Front des ehemaligen Kinos, das zu einer Buchhandlung umgebaut worden war. Die letzten Sonnenflecken auf dem Kopfsteinpflaster. Die frechen Tauben, die sich bewegten wie verkleidete Raben.
    Er fragte sich, ob er hier leben könnte.
    Ein Paradiesvogel in einem viel zu engen Käfig.
    War er das? Ein Paradiesvogel?
    Oh ja. Er erkannte es in den Augen der Leute, die seinen Weg kreuzten. Die Mädchen konnten den Blick ja nicht von ihm wenden.
    Und nicht nur sie…
    Ich bin nicht schwul, dachte er zornig. Ich bin bi.
    Warum sollte er seine Begierde auf ein einziges Geschlecht reduzieren, wenn es Männer und Frauen waren, die ihn erregten? Wieso sollte er nicht ausleben dürfen, was ihn ausmachte? Und das war doch beides.
    Er war nicht schwul. Und wem er sich zuwandte, das entschied er immer noch ganz allein.
    Demonstrativ erwiderte er die Blicke der Typen, die ihn musterten.
    Ihr Interesse ließ ihn kalt.
    War das nicht Beweis genug? Dafür, dass er die Wahl hatte?
    Und was war mit seinen Gefühlen für Björn?
    Leidenschaft. Liebe.
    Unsicherheit.
    Ich bin nicht schwul.
    Die Stimme in seinem Innern, die das Gegenteil behauptete, überhörte er. Wie jedes Mal.
    Sein Handy klingelte.
    Björn.
    Maxim nahm das Gespräch nicht an.

4
    Schmuddelbuch, Dienstag, 1. März, dreiundzwanzig Uhr
    » Gute Arbeit«, hat Greg gesagt, nachdem er meinen Entwurf gelesen hat. » Die richtige Mischung aus Abstand und Nähe. Lass die Leute ruhig einen kleinen Blick durchs Schlüsselloch werfen, ohne ihre voyeuristischen Bedürfnisse tatsächlich zu befriedigen.«
    Abstand. Nähe.Als ob ich das steuern könnte, wo ich doch meistens aus dem Bauch heraus schreibe. Das behalte ich allerdings lieber für mich. Obwohl Greg es wahrscheinlich ahnt.Aber ist das Ergebnis nicht wichtiger als der Weg dahin?
    » Du hast die richtigen Fragen gestellt. Der Leser wird überrascht und kann etwas dazulernen. Ich frage mich nur, woher deine Sympathie für diesen
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