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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition)
Autoren: Monika Feth
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der Literatur?
    Die Hände des Toten waren unverkrampft. Vielleicht war der Tod zu schnell eingetreten. Vielleicht hatte Leonard Blum sich nicht darauf einstellen können. Ein Schlag gegen den Kopf – und Schluss.
    Bert beugte sich vor und kniff die Augen zusammen.
    » Du siehst es auch«, stellte Rick fest.
    Für einen Moment wünschte Bert, er wäre allein in diesem Raum, um durch kein Wort und kein Geräusch abgelenkt zu werden. Doch der Augenblick war vorbei, nachdem er sich wieder einmal klargemacht hatte, dass es auch seine Vorteile hatte, sich an Ort und Stelle austauschen zu können. Er nickte.
    Die Wunde befand sich oberhalb der linken Schläfe. Das bedeutete, dass der Täter vor seinem Opfer gestanden haben musste, als er den tödlichen Schlag geführt hatte.
    » Wieso hat er sich nicht gewehrt?«, fragte Rick.
    Es gab keine Kampfspuren. Nichts war auf den Boden gefallen, kein Bild hing schief an der Wand, der Teppich hatte sich nicht verschoben. Vor allem jedoch war der Bademantel, den Leonard Blum trug, in keiner Weise derangiert. Alles saß an Ort und Stelle. Der Gürtel war zugebunden, der Kragen nicht zerknautscht, keiner der Ärmel hochgerutscht.
    » Schau dir seine Hände an«, sagte Bert.
    Sie wirkten entspannt und locker. Lediglich die Beine waren seltsam verdreht, als hätte der Tote nicht genug Zeit gehabt, sie auszustrecken.
    » Möglicherweise hat er seinen Mörder gekannt«, sagte Rick.
    Bert spürte einen Luftzug und schaute zur Tür, die auf einen kleinen Balkon führte. Die hauchdünne Gardine bauschte sich und fiel wieder in sich zusammen.
    » Die Balkontür ist nur angelehnt«, sagte er.
    Mit zwei langen Schritten war Rick bei der Tür und trat auf den Balkon hinaus. Er beugte sich über das Geländer.
    » Feuerleiter«, sagte er knapp.
    So segensreich Feuerleitern in Brandfällen sein mochten, sie waren ein nicht zu unterschätzendes Sicherheitsrisiko. Nicht einmal im Dachgeschoss konnte man gefahrlos die Türen offen stehen lassen.
    » Wieso hat der Mann nicht in Bonn gelebt, wenn er dort an der Uni eine Stelle hatte?«, überlegte Bert. » Ich meine, zwischen Köln und Bonn liegen zwar nur ein paar Kilometer, aber man macht es sich doch nicht schwerer als unbedingt nötig.«
    » Fragst du das im Ernst?«
    An Ricks entgeistertem Gesichtsausdruck erkannte Bert, welcher Fauxpas ihm unterlaufen war. Und da kam es auch schon:
    » Niemand, der in Köln lebt, würde freiwillig in eine andere Stadt ziehen, wenn es sich irgendwie vermeiden lässt.«
    Rick war Kölner aus Leidenschaft. Er hatte sein Leben hier verbracht, hatte die Stadt notgedrungen für sein Studium verlassen, war jedoch rasch wieder zurückgekehrt. Schon ein Umzug von einem Stadtteil in einen anderen bedeutete für ihn eine Herausforderung.
    Bert hätte niemals gedacht, dass es einen so ausgeprägten Lokalpatriotismus gab, doch seit er in Köln wohnte, begegnete er ständig Menschen, die ähnlich empfanden wie Rick. Er fing an, sich daran zu gewöhnen und fragte sich manchmal leicht beunruhigt, ob und wann es auch ihn erwischen würde.
    Vielleicht war es so, wie Rick annahm. Vielleicht war Leonard Blum einer dieser in der Stadt Verwurzelten gewesen und hatte das tägliche Pendeln einem Umzug nach Bonn vorgezogen.
    Sie würden es herausfinden.
    Er ging in die Hocke und warf einen letzten Blick auf das Gesicht des Toten. Dabei fielen ihm die Einkerbungen zu beiden Seiten des Nasenrückens auf. Leonard Blum war Brillenträger gewesen, und er hatte seine Brille nicht nur gelegentlich getragen, sondern ständig.
    Warum hatte er sie dann nicht aufgehabt?
    Bert schaute sich um. Keine Brille auf dem Fußboden, keine in der Hand des Toten. Er erinnerte sich an die Brille auf dem Nachttisch, beugte sich vor und hob behutsam ein Augenlid des Toten an.
    Keine Kontaktlinse.
    » Eigenartig«, murmelte er, als er sich wieder aufrappelte und Rick zur Wohnungstür folgte.
    Sie überließen der Spurensicherung das Feld und stiegen die Treppe hinunter, um mit der Befragung der Hausbewohner zu beginnen.
    *
    Maxim hatte sich vorgenommen, noch eine Weile durch Bonn zu schlendern, bevor er zu Björn in die Wohnung zurückkehrte. E r f and Gefallen an dieser kleinen Stadt, die viel Atmosphäre besaß.
    Man merkte ihr an, dass sie eine Studentenstadt war. Die jungen Leute taten ihr gut, denn viele Bewohner gehörten ganz offenkundig zu den Besserverdienenden, eine Nachwirkung der Tatsache, dass Bonn lange Zeit Bundeshauptstadt gewesen war und noch
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