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Spiegelschatten (German Edition)

Spiegelschatten (German Edition)

Titel: Spiegelschatten (German Edition)
Autoren: Monika Feth
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Auftritt! Ich bin bei euch. In Gedanken. Die ganze Zeit.«
    Er hatte gerade aufgelegt, als Rick sein Büro betrat. In Kurzfassung berichtete Bert ihm, was er über den neuen Fall erfahren hatte, dann gingen sie gemeinsam zum Parkhaus des Präsidiums.
    Sie fuhren über die Severinsbrücke, und Bert genoss den Blick auf die Türme des Doms und die unverwechselbare Silhouette des Fernsehturms. Ein schwer beladener Frachter lag tief im grauen Wasser des Rheins und bewegte sich träge flussabwärts. Links ragten die drei etwa sechzig Meter hohen Kranhäuser über den Fluss, dessen Oberfläche sich unter einem leichten Wind kräuselte. Zwei dieser extravaganten Häuser, die ihren Namen bekommen hatten, weil sie wie Kräne aussahen, waren mit exklusiven Büros ausgestattet. Im dritten waren luxuriöse Wohnungen untergebracht.
    » Für Normalsterbliche unerschwinglich«, sagte Rick neiderfüllt.
    Er sagte das jedes Mal, wenn die Kranhäuser in sein Blickfeld gerieten. Rick war Kölner Urgestein. Für eine Wohnung mit Blick auf den Rhein oder den Dom hätte er seine Großmutter verscherbelt, ohne mit der Wimper zu zucken. Falls er überhaupt noch eine Großmutter besaß, was Bert nicht wusste.
    » Mir wär ein Haus im Grünen lieber«, entgegnete er.
    Sogleich erschien eine alte Mühle vor seinem inneren Auge, eingebettet in ein riesiges, verwunschenes Stück Land. Die Besitzerin dieses Anwesens, die Schriftstellerin Imke Thalheim, blendete er schnell wieder aus. Er hatte sich lange genug mit der Sehnsucht nach ihr gequält, hatte sich sogar nach Köln versetzen lassen, um sie zu vergessen.
    Vergessen, dachte er spöttisch. Als ob dir das jemals gelingen könnte. Sei froh, wenn sie dir nicht ständig im Kopf herumspukt.
    » Das ruhige Landleben kann ich noch haben, wenn ich mal pensioniert bin«, sagte Rick mit der Unbefangenheit eines Menschen, der genau weiß, dass dieser Zeitpunkt noch unvorstellbar weit in der Zukunft liegt.
    Rick war ein exzellenter Autofahrer, aber er neigte dazu, sich über jeden anderen Verkehrsteilnehmer aufzuregen und ihm das mit lauten Flüchen und eindeutigen Gesten auch mitzuteilen.
    Sein Verhalten machte Bert nervös. Er lenkte sich ab, indem er aus dem Fenster schaute.
    Im Gegensatz zu ihm kannte Rick sich in Köln aus und brauchte kein Navigationssystem. Perlengraben. Rothgerberbach. Weyerstraße. Roonstraße. Eckpunkte, die Rick wohl gar nicht mehr wahrnahm, an denen Bert sich jedoch zu orientieren lernte.
    Er lebte noch nicht lange in dieser Stadt und entdeckte sie täglich neu. War er gut drauf, fühlte er sich hier immer noch wie im Urlaub. Ging es ihm schlecht, fand er absolut keinen Zugang zu dieser für Köln typischen Mischung aus Schönheit und Scheußlichkeit. Die Stadt war im Zweiten Weltkrieg stark zerstört worden, und die entstandenen Lücken hatte man mit oftmals rasch und billig hochgezogenen Häusern wieder gestopft.
    Als sie an der Synagoge gegenüber vom Rathenauplatz vorbeifuhren, wäre Bert am liebsten ausgestiegen, um das prachtvolle Gebäude mit der beeindruckenden Fensterrosette eine Weile zu betrachten. Doch schon hatten sie es hinter sich gelassen.
    Wenn man mal einen Stau brauchen könnte, dachte Bert, läuft es wie geschmiert. Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und versuchte, sich auf das vorzubereiten, was sie erwartete.
    Kein Tatort glich dem andern. Immer wieder musste man sich auf die Stimmung einstellen, die einen empfing, sich jedes Mal aufs Neue darauf einlassen. Es waren unterschiedliche Häuser und Wohnungen, in die sie gerufen wurden, unterschiedliche Opfer, die sie vorfanden. Sie waren aus unterschiedlichen Gründen und auf unterschiedliche Weise gestorben.
    Sie hatten nur eines gemeinsam: Sie waren gewaltsam ums Leben gekommen.
    Diese Wohnung hätte Bert mit offenen Armen empfangen, wäre der Anlass, sie zu betreten, ein anderer gewesen. Sie lag unterm Dach, war behaglich und warm und voller Bücher. Ihr Bewohner, Dr. Leonard Blum, war Germanist gewesen und hatte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn als Assistent von Professor Dr. Jürgen Meinhardt gearbeitet.
    Weitere Informationen gab es noch nicht, doch die Wohnung erzählte Bert bereits eine ganze Menge.
    Alles war penibel aufgeräumt, bis auf Schreibtisch und Sofa. Doch das wirkte nicht steril. Es war eine Ordnung, die Platz ließ für Gedanken und Kreativität. Die alphabetisch geordneten Bücher standen in einfachen weißen Regalen aufgereiht. Belletristik.
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