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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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die mich neu gemacht oder zumindest an den Rand geschubst hat.«
    »Gut«, sagt sie, obwohl ich glaube, daß sie sich nicht so sehr über mein Kompliment als über meine Entwicklung freut.
    Meine Füße sind jetzt im Wasser – die Brandung spritzt über meine Knöchel und durchnäßt meine Hosenbeine. Endlich kann ich loslassen und das Erlebte einfach verdauen.
    »Die Bezeichnung ›zweite Reise‹ hat mir besonders gefallen. Diese Einsichten sind faszinierend, Liebes. Ich habe meinen Aufbrüchen nie solche Bezeichnungen gegeben, aber der Begriff umfaßt sicherlich das Ideal. Es stimmt. Wir müssen buchstäblich bereit sein, im Laufe unseres Lebens immer und immer wieder zu beginnen. Man kann wirklich nicht wissen, was man tun soll, bis man das Profane hinter sich läßt und seinen Geist befeuert. Das ist der Weg zur Generativität. Ich bin so froh, daß du es begrifflich fassen und die Vorstellung verbreiten konntest.«
    »Der Begriff
zweite Reise
ist nicht von mir«, sage ich ihr. »Das ist der Titel eines Buches. Aber seitdem ich es vor ein paar Jahren las, hatte ich den Wunsch, ein Selbst jenseits all der Rollen zu entwickeln, die ich spiele, wollte mehr denn je den Grund für mein ganz persönliches Leben wissen und dann etwas mit meinen neu gewonnenen Einsichten anfangen.«
    »Also, ich nehme an, daß dich die Kombination aus allein leben, deine Psyche zu durchleuchten und dann zu der Magie von Machu Picchu zu reisen etwas seltsam gemacht hat – aber auf gute Weise, natürlich. Ich glaube, du bist berufen worden.«
    »Ich bin was?«
    |161| »Du hast eine Art Aufforderung erhalten – etwas, worauf du reagierst. Ich glaube, du bist dazu berufen, Menschen zu sich selbst zurückzuführen – sie aus dem Trott zu holen. Die größte Einsamkeit besteht darin, daß die meisten Menschen nicht wissen, wer sie sind.«
    Ich denke, daß Erfolg sich sicherlich besser anfühlt als Kummer und Leid. »Vielleicht kann ich endlich damit beginnen, diese Gedanken aufzuschreiben, die sich gerade jetzt für mich zusammenfügen. Der Schwung ist jedenfalls da.«
    »Aber vergiß nicht, Liebes, du mußt nicht alles erzählen. Mir wurde ein bißchen unwohl, als dieser Mann dich dazu drängte, darüber zu reden, warum du weggelaufen bist. Du mußtest ihm nicht alles verraten.«
    »Ich habe nur versucht, glaubwürdig zu erscheinen.«
    »Das hast du bereits am Anfang getan, mit deiner Aufrichtigkeit und Vitalität. Zu viel zu erzählen, kann sowohl erregend wie auch entzückend sein, aber weniger ist mehr. Vergiß nicht, Geheimnisse sind Macht. Fremde haben es nicht verdient, die intime Seite deines Lebens kennenzulernen. Das geht sie überhaupt nichts an. Ich bewundere deine wilde und salzige Seite, aber wir sind Freundinnen geworden und müssen einander die Wahrheit sagen. Der Rest von dir, die öffentliche Person, muß zensieren, was sie sagt und zeigt.«
    »Abgrenzungen sind nicht meine Stärke, wie du weißt.«
    »Ich weiß, aber denk dran, wie ich vor ein paar Monaten in dieser kleinen Lokalzeitung dargestellt wurde. Diese Reporterin hat, ohne daß ich es merkte, meine Kleidung, mein Verhalten, mein Haus und meine Worte inspiziert und zerpflückt, so als hätte sie mich unter einem Mikroskop. Das wird dir genauso passieren. So wie ich es sehe, wirst du zu einem Vorbild werden, andere mit deinem Enthusiasmus vorwärtsdrängen. Sie können aber nicht einfach deinem Weg folgen – sie müssen ihren eigenen finden. Du bietest ihnen nur den Anstoß oder die Herausforderung.«
    |162| Wir haben das Ende des Strandes erreicht und stehen am Rand der Mole – genau dort, wo wir uns vor mehreren Jahren kennengelernt haben. Wie hätte ich damals wissen sollen, daß sie mich herausfordern würde, anders zu sein, und ich dabei mein Leben neu erfinden würde. Mir geht auf, daß ich mich gelockert habe – daß das Leben am Rande mich in hohem Maße aufgeschlossen gemacht hat, so sehr, daß ich den Ruf hören konnte. Plötzlich strömt alles zusammen, und ich werde auf die nächste Ebene gehoben.
    »Ich bin nicht mehr im Nebel«, sage ich zu ihr.
    »Ich auch nicht«, antwortet sie, greift nach meiner Hand und führt mich am Ufer entlang zurück.

|163| Schwanengesang
    Nach dem Vortrag schoß meine kreative Energie in die Höhe. Ich hatte eine Stimme gefunden, oder zumindest glaubte ich das, und, wichtiger noch, ein paar Vorstellungen, die es wert waren, sie mit anderen zu teilen. Darüber hinaus kamen mir ohne große Mühe Metaphern und Vergleiche
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