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Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau

Titel: Spaziergang am Meer: Einsichten einer unkonventionellen Frau
Autoren: Joan Anderson , Susanne Aeckerle
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die Welt für sie ein Ort ist, wo die Dinge erzeugt und zum Leben gebracht werden.«
    »Hast du einen Plan oder eine genaue Vorstellung?« frage ich.
    »Eigentlich nicht. Der Auftritt sollte schon für sich selbst sprechen, meinst du nicht? Und danach sollte man mit leichter Hand vorgehen. Ich bin nicht hoffnungslos; schließlich habe ich die Vergangenheit, auf die ich mich stützen kann. Darin liegt Stärke, meine Liebe, genauso wie Selbstvertrauen. Außerdem bin ich ziemlich sicher, daß ich das neunte Stadium richtig hinbekommen habe«, sagt sie und klingt unbesiegbar.
    »Diese Art Treffen erschrecken mich zu Tode. Ich war nie gut darin, mich oder meine Ideen zu verkaufen.«
    »Don weißt, daß Erik und ich immer zusammengearbeitet haben. Ich nehme an, daß er erwartet, viel von Erik in diesem meinem neuesten Werk zu finden. Auf jeden Fall teile ich hier nur mit anderen, zu welchen Schlußfolgerungen ich gekommen bin. Dabei geht es nicht ums Verkaufen, sondern ums Überzeugen, was von Anfang bis Ende spielerisch sein muß. Es ist ein Spiel. Es gibt Regeln, aber es muß immer ein Spiel bleiben.«
    »Freundliches Überzeugen.«
    »Ja, das gefällt mir. Ich werde meine Ideen auf eine kunstvolle Weise präsentieren. Ich glaube, ihm wird die Vorstellung gefallen, daß es bei Transzendenz tatsächlich um Transzen
tanz
geht! Wie auch immer, in dem Moment, wo die Diskussion nach Belehrung oder Predigen klingt, weiß ich, daß ich verloren habe.«
    Wir fahren auf dem East River Drive und haben noch Zeit. Ich biege an der Ausfahrt zur Neunundsiebzigsten Straße ab und fahre in das nächste Parkhaus, möchte so schnell wie möglich das Auto loswerden und den Druck, der sich durch das |169| Fahren in der Stadt aufbaut. Erst als wir uns ein Taxi heranwinken, merke ich, daß wir die Adresse von Norton nicht haben.
    »Kein Problem«, beruhigt mich Joan. »Bringen Sie uns zur New York Public Library«, weist sie den Fahrer an, »der an der Zweiundvierzigsten Straße.« Dann wendet sie sich an mich. »Norton ist direkt gegenüber.« Sie lächelt, ist sich ihrer selbst vollkommen sicher.
    »Wie oft hast du das eigentlich schon gemacht?« frage ich, verblüfft von ihrer Zuversicht.
    »Zu oft, um es zu zählen.« Sie lehnt sich zurück, nimmt all die Ausblicke und Geräusche in sich auf, die nur eine Stadt wie New York zu bieten hat. »Ich fühle mich so wach«, sprudelt es aus ihr heraus. »Gott sei Dank, daß ich das noch kann.«
    Wir klammern uns an die Haltegriffe über den Autofenstern, während der Fahrer sich durch den Verkehr schlängelt und dabei in einige Schlaglöcher rumpelt. »Ich hatte nicht vorgehabt, auf den Rummel zu gehen«, kichert sie, als wir Fußgängern und Bussen ausweichen. Als wir vor der Bibliothek halten, reckt sie den Hals, um das gewünschte Gebäude zu finden. Sobald wir ausgestiegen sind, deutet Joan mit ihrem Stock. »Da entlang«, verkündet sie ohne Zögern.
    Ich finde die Kakophonie des New Yorker Verkehrs immer verwirrend, und heute, während ich den Arm einer etwas gebrechlichen alten Frau halte, weiß ich nicht so recht, wie ich uns über die Straße bringen soll. Ein Taxi ist gerade einem anderen hinten draufgefahren, worauf ein Hupkonzert entsteht. Um alles noch schlimmer zu machen, blockiert ein Laster die gesamte linke Fahrbahn, und ein Krankenwagen versucht vorwärtszukommen. Joan, die all den Trubel gar nicht beachtet, hebt einfach ihren Stock und führt uns von einem Bürgersteig zum anderen. Und tatsächlich hält der Verkehr an, als wäre sie Moses, der das Rote Meer teilt. »Das ist mir noch nie passiert«, sagt sie, leicht entzückt über sich selbst. »Ich schätze, es |170| ist doch etwas wert, alt zu werden. Aber ich muß zugeben, daß New York kein guter Ort für alte Menschen ist. Ich habe das Gefühl, wir sind einfach nur im Weg.«
    »Da sind wir«, verkündet sie triumphierend, als wir die Eingangstür von Norton erreichen. Eine Sekunde lang bleibt sie stehen, richtet sich auf und greift nach dem großen Messingtürgriff. Sobald wir drinnen sind, geht sie direkt auf den Fahrstuhl zu, und innerhalb von Minuten sind wir im richtigen Stockwerk und auf dem Weg zur Empfangsdame. Rasch schaue ich in einen Spiegel an der Wand, zupfe mein Jackett zurecht und fahre mir durch mein kürzer geschnittenes Haar. »Hallo, Mrs Erikson«, begrüßt die Empfangsdame sie, bevor Joan etwas sagen kann. »Mr Lamm erwartet Sie.«
    Ich bleibe hinter ihr, während sie den Flur entlanggeht, an einer
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