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Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)

Titel: Später Frost: Der erste Fall für Ingrid Nyström und Stina Forss (German Edition)
Autoren: Roman Voosen , Kerstin Signe Danielsson
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vegetarischem Sushi und Bioweißwein aus Iittala-Gläsern. Das war so schön. Und so eng. So quadratisch und zurechtgemacht. Ihr ganzer Körper kribbelte. Sie wollte stundenlang heiß duschen. Er fing an, Pläne fürs Wochenende zu machen: eine Bootsfahrt, später grillen, vielleicht mit Alex und Moni. Ihre Haut spannte. Wie schmeckt esdir, Schatz? Ja, danke, toll, nein, ausgezeichnet. Ihre Kniekehlen kratzten, die Ellenbogen auch. Konnte sie denn nicht einfach für ein paar Stunden alleine sein? Auf dem Sofa liegen und Chips essen, bis sie eingeschlafen war? Als er ihr ungefragt noch etwas auf den Teller legte, war sie ausgeflippt. Sie schrie. Erst sagte er gar nichts, dann verteidigte er sich und sein schönes, blödes Essen noch. Sie hätte sich beruhigen können, einlenken, vielleicht sogar entschuldigen, aber sie war über den Punkt hinaus. Sie spuckte Wein auf den Teller und auf sein Essen, den guten Bioweißwein aus Sizilien.
    »Du bist krank«, sagte er. »Du bist genauso krank wie dein Vater.«
    In dem Moment waren alle Sicherungen durchgeknallt. Einfach rausgesprungen. Und zack. Sie nahm die Alvar-Aalto-Vase von der Mitte des Tischs und warf sie ihm ins Gesicht. Zweieinhalb Kilo Wasser und Glas und Gladiolen. Später versuchte sie sich einzureden, dass sie nur irgendetwas hatte werfen müssen, dass es Zufall gewesen sei, dass es die Vase geworden war, dass es ebenso gut eine Serviette hätte sein können. Aber sie wusste, dass es nicht stimmte. Es hatte die Vase sein müssen. Etwas Gewaltiges, das kaputt machen konnte. Sie wusste es, weil es nicht das erste Mal gewesen war und auch nicht das zweite oder dritte. Vorher waren es Bierflaschen. Aschenbecher aus Metall. Ein Laptop. Einmal, auf einer Wanderung in der Bretagne, sogar ein Stück Fels. Die Männer hatten Frank geheißen, Ben, Michael. Diesmal war es eine Designervase in Sebastians hübsches Gesicht.
    Im Krankenwagen saß sie neben der Trage und hielt seine Hand. Niemand stellte ihr Fragen. Nie stellte jemand Fragen, wenn der Mann der Verletzte war. Kurz überlegte sie, selbst zur Polizei zu gehen, zu den Kollegen. Aber wem wäre damit gedient? Es gab einen anderen, einen konsequenteren Weg. Sie traf die Entscheidung, während Sebastian in der Notaufnahme behandelt wurde. Siebzehn Stiche waren es diesmal. Sebastian hatte ihr bereits verziehen und würde es wieder tun. Das war das Schlimme, das Wiedertun. Es gab keine Perspektive, sie musste die Spirale unterbrechen. Wenn Sebastian es nicht schaffte, sich von ihr zu lösen, dann musste sie gehen. So weit weg, wie es eben ging, und doch ganz nah dran an die Quelle. Um ihrer beider willen. Keine Lügen mehr, keine falschen Versprechen, keine gebrochenen Schwüre.
    Am Anfang stand Verstehen. Begreifen. Ein Versuch. Gleich bin ich bei dir, Vater, gleich bin ich da. Sie stieg aus dem Auto, schloss die Türe und ging über den Parkplatz auf den Eingang zu. In den Kiefern und auf dem müden Gras zwitscherten Singvögel. Spatzen, Meisen, Rotkehlchen. Von den beiden Elstern war nichts mehr zu sehen.
    3
    Vielleicht war es gerecht, auf eine verdrehte Art und Weise, vielleicht zahlte Maria einen fairen Preis, einen Finger für einen Finger, warum nicht, dachte sie, es hieß schließlich auch Auge um Auge, Zahn um Zahn. Es war irgendwie beruhigend, auf eine alttestamentarische Weise.
    Am Morgen hatte Love sie besucht, am nächsten Tag würde Simone aus Amsterdam kommen, endlich, Maria sehnte sich nach ihrer warmen Umarmung. Simone würde Love treffen, zum ersten Mal, vielleicht verstanden sie sich sogar, sie hatten beide so etwas Altruistisches, manchmal verband so etwas ja.
    Der Mann, der gestorben war, war nicht ihr Vater gewesen, sondern ein unschuldiger Schwede. Ein alter Mann, der sich sein Leben lang versteckt hatte, weil er sich seiner Homosexualität schämte. Und sie hatte zu seinem Tod beigetragen. Wie sie mit dieser Schuld jemals leben sollte, wusste sie nicht.
    Sie hatten ihr die Aufzeichnungen ihres Vaters gegeben, sein Tagebuch. Sie hatte sich in so vielem geirrt. Als Historikerin, als seine Tochter. Geschichte wiederholt sich nicht, manchmal ist sie nicht einmal wahr.

JERUSALEM, 1948
    Henrik Larsson hatte lange wach gelegen. Die Anspannung hatte ihn wach gehalten und die Verzweiflung. Jetzt war die Morgendämmerung nah. Der kleine Raum war ausgekühlt und feucht. Seit letzter Woche war der Winter da. Irgendwo draußen in der Altstadt aus nassem, gelbem Sand krähte ein Hahn. Das war sein Zeichen,
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