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Sozialisation: Weiblich - männlich?

Titel: Sozialisation: Weiblich - männlich?
Autoren: Carol Hagemann-White
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zu Ende zu denken. Über zwei Geschlechter zu reden, heißt unweigerlich, dies begriff Weininger, über symbolische Konstruktionen, über Prinzipien zu reden, die dem konkret-lebendigen Menschen übergestülpt werden. .,Man übt eine geistige Orthopädie in der vollsten Bedeutung einer Tortur“ (S. 69) wenn man die Erziehung nach dem Geschlechterstereotyp ausrichtet. Weiningers Annahme, daß jeder reale Mensch eine Mischung der Prinzipien M und W sei, scheint noch bei Freud schwach auf, der sie jedoch auf Bisexualität (erotische Empfänglichkeit für – als biologisch gegeben gedachte – Angehörige beider Geschlechter) reduzierte. Durch seine Beibehaltung der Werthierarchie gelangte Weininger zu dem Schluß, daß alle Menschen bestrebt sein müssen, im kulturellen Sinne Männer zu sein. 
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    9)
    Rowan
(1979) betont aus der Sicht einer „kritschen Männerforschung“ die konstitutive Bedeutung von Abgrenzung und Herabsetzung für das Männerselbstbild. 
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    10)
    Gilligan
(1979) entwickelt aus empirischen Studien über die moralische Entwicklung von Frauen (methodisch angelehnt an Kohlberg) den Gedanken, daß Frauen eine andere Stufenleiter der moralischen Reifung als Männer haben. Während in Kohlbergs Männerstudien die höchste Stufe des moralischen Bewußtseins eine abstrakte und stark formalisierte Gerechtigkeit ist, erfahren Frauen diese Sicht als unreifes Übergangsstadium. Aus der Sicht der Frauen dreht sich die höhere moralische Haltung um den Begriff der Verantwortung. Die richtige Balance zwischen Intervention, um dem anderen beizustehen, Schaden abzuwenden, zugemutete Verantwortung des anderen für sich selbst, und eigener Verantwortung für sich zu finden – dies ist die schwierigste Aufgabe einer „weiblichen“ Moralität. Die Frau sieht die Bezogenheit und Angewiesenheit von Menschen auf einander als unweigerlich immer schon gegeben an, so daß eine formale Gerechtigkeit der Nichteinmischung, wie sie Kohlberg als höchste Stufe der Moralität gezeichnet hat, in der Substanz inhuman wird. Diese Unterschiedlichkeit im moralischen Bewußtsein wäre als weitere, spätere Gestalt dessen zu begreifen, was hier entwicklungspsychologisch als eher dialogische Ichwerdung beschrieben wird. Die Ichwerdung kann zwar in der frühen Kindheit zeitlich eingegrenzt werden, sie ist aber auch ein Prozeß der lebenslang stattfindet. 
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    by Luca Calcinai
     
     
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