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Sophies Kurs

Titel: Sophies Kurs
Autoren: Colin Greenland
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die Strömung des Flux konzentrieren – das ist der Sinn ihres Daseins, ihr wahres Vergnügen. An Deck zu stehen, deinen Fuß auf ein Rundholz gestützt, und in den harten Schimmer des Raums in den Segeln zu starren, in das weißschwarze, schiere Nichts der dünnen Gaze, die sich da vor Wegstunden aus noch schwärzerem Nichts bläht – zu sehen, wie sie im Aether-Wind schwillt – und dann die Hand zu heben und die Richtung von neuen Gezeiten und starken Strömungen anzuzeigen, auf denen das Schiff dahineilen kann – welch größeren Ruhm hat das Leben zu bieten? Da segeln sie dahin, die Sterne im Blick, im Ohr das hehre Hohelied der Leere. Gott selbst treibt sie voran. Ohne sie würden sich die Welten kaum drehen – Läden und Speisekammern könnten nicht gefüllt werden – die Forscher der großen Reiche auf der Erde könnten sich nicht aufmachen, ihren Kollegen unter anderen Sonnen die Hände zu schütteln.
    Mr. Cox, der Emissär von Lord Lychworthy, befindet sich schon an Bord der Yacht seines Herrn, auf der
Unco Stratagem,
bereit und darauf wartend, daß das Schiff ablegt. Aber wie gewöhnlich kommt der Pilot zu dem Flug mit Ziel Erde zu spät. Daher hat man den Captain gedrängt, sich hierher zu begeben, um ihn persönlich zu holen. Natürlich ist er nicht zu finden. Er befindet sich nicht in den Quartieren, nicht im Garten oder auf dem Dach, wo sich seinesgleichen gern zusammenfindet. Und deshalb hat man Captain Thrace hierher komplimentiert, auf diese Ottomane in nächster Nähe zur Tür, auf die äußerste Kante der Ottomane. Ein oder zwei Männer nicken höflich im Vorübergehen und mustern das Wappen auf seiner Uniform, doch niemand setzt sich zu ihm auf die Ottomane, obwohl dort reichlich Platz wäre. Captain Thrace ist kein Mitglied der Piloten-Gilde.
    Der Steward, der endlich einen Gentleman erspäht hat, den er bedienen kann, schlurft herbei und baut sich direkt vor dem Captain auf. Beider Augen befinden sich auf einer Höhe. »Sir?« fragt der Steward in seiner gespreizten Art.
    »Oh. Ach ja«, sagt Captain Thrace und räuspert sich umständlich. »Ich ... ähh ... darf annehmen, Steward, daß Sie heute nicht zufällig schon Mr. Crii gesehen haben, oder?«
    »Ihre Annahme ist richtig, Sir«, posaunt der Steward. Der Captain zuckt unter der Ernsthaftigkeit seines Tonfalls zusammen. Er sieht zur Seite, dann wieder auf den Mann – zweifelnd.
    »Beauregard Crii«, sagt er schließlich. »Kennen Sie ihn überhaupt?«
    »Ich kenne ihn, Sir.« Der Steward kann sich genau an Mr. Crii erinnern, wie auch an seinen Vater. Er erinnert sich auch an Mr. Habbakuks Vater, an Lord Lychworthys Vater, an all ihre Väter, denn dieses Talent vererbt sich, und die Ophic sind eine Rasse von bemerkenswerter Langlebigkeit.
    Der Steward ist höchst verärgert und irritiert von der Willkür, der Schmach, die man dem Porträt des Hochmeisters zugefügt hat. Er fürchtet, daß dieser Mann da, den er vom Sehen kennt, diesen Vorfall Mr. Cox melden wird, der sich selbst wiederum gezwungen sehen wird, dem Hochmeister darüber zu berichten. Rasch klatscht er in die Hände und ruft damit einen Pagen herbei, um ihn durch alle Räumlichkeiten zu schicken und Mr. Crii auszurufen.
    Unterdessen sieht sich Captain Thrace über den braunen Schopf des Stewards hinweg im Foyer um. Er zieht ein vom Perpetuum fleckiges Taschentuch hervor und putzt sich die Nase. Der Säuregehalt in der Luft vergrätzt ihn. »Ich vermute, er ist noch nicht hier«, sagt er mürrisch.
    »Es steht Ihnen frei, Vermutungen anzustellen«, meint der Steward.
    »Was?« bellt der Captain.
    »Die Wahrheit darf man nicht leugnen, Sir.«
    »Ach ja? Hmm.« Der Captain legt die Hände zusammen und sinnt bedrückt über die Unzuverlässigkeit der Engel nach. Mr. Crii, der Teufel soll ihn holen, wird dann auftauchen, wann es ihm gefällt, und sich nicht einmal für seine Verspätung entschuldigen. Ebensowenig wie einer Katze käme es einem Engel in den Sinn, sich für irgend etwas zu entschuldigen.
    Der Ophic, der keine Taille hat, kann sich nicht verbeugen, aber er vollführt den üblichen Hüpfer und tönt: »Darf ich mich nach der Gesundheit seiner Lordschaft erkundigen, Sir?« Die gleiche Frage äußert er auch bezüglich Mr. Cox, aber er schafft es nicht, eine solche Besorgnis auf den Captain zu übertragen, ohne ihn auf den Zustand des Porträts aufmerksam zu machen.
    »Was?« wiederholt Thrace verwundert. »Meine Gesundheit? Die ist ausgezeichnet ... hrrumph ...
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