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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen
Autoren: Michaela Seul
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Er griff wild bellend erneut an. In den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr und reagierte, ehe ich die Gefahr tatsächlich begriff. Ich warf mich auf Flipper, während Felix »Nicht schießen!« brüllte. Flipper und ich im Moos. Mein Unterarm von einem Ast aufgeschürft und mein Herzschlag weit über der zulässigen Geschwindigkeitsbegrenzung. Wütend sprang ich auf die Beine. Doch das Gesicht des jungen Mannes besänftigte mich sofort.
    »Ich, äh, ich hab, äh, gedacht, dass …« Er wollte seine Waffe zurück in das Holster an seinem Gürtel stecken, es gelang nicht. Seine Hände zitterten so stark, dass er rechts und links daneben zielte.
    »Mensch, Johannes«, sagte Felix, war mit schnellen Schritten bei ihm, nahm ihm die Waffe ab und steckte sie in das Holster. Dann packte er seinen Kollegen am Oberarm. »Alles klar?«
    »Äh, ich dachte wirklich …«
    »Schon gut. Lass uns später darüber reden. Nicht jetzt. Jedenfalls wollte der nur spielen.«
    »Aber Felix, das behaupten alle!«, widersprach Johannes. »Davor haben sie uns gewarnt, dass sie das alle sagen, und das sah wirklich gefährlich aus, der ist ja ein ziemliches Kaliber.«
    »Das Kaliber heißt Flipper«, grinste Felix.
    »Äh, ja«, nickte Johannes und blickte verwirrt von Felix zu mir.
    »Du solltest ein wenig Hundesprache lernen, Johannes. Man kann meistens sehr genau ablesen, was ein Hund im Schilde führt, und wenn man das weiß, dann befähigt einen das, die Gefährlichkeit von Situationen einzuschätzen, was wiederum das eigene Vorgehen, sprich die Wahl der Mittel, beeinflusst. Auch wir haben öfter mit Hunden zu tun, natürlich nicht so oft wie die Kollegen von der Schutzpolizei.«
    »Eben, deswegen haben wir ja auch …«, setzte Johannes zu einer Verteidigung an, brach dann ab. »Mach ich Felix. Danke für den Tipp.«
    Felix nickte anerkennend.
    Sein junger Kollege wandte sich mir zu und hielt mir die Hand hin. »Johannes Winter.« Sein Adamsapfel hüpfte auf und ab. In seiner zarten Gesichtshaut war das dunkle Rot verglüht zu einem Hauch von Rosa. Als ich ihm die Hand schüttelte, merkte ich, dass sie genauso feucht war wie meine. Ob seine Beine sich auch wie Gummi anfühlten? Er hatte wohl einen kleinen Schock. Meiner war größer, weil doppelt. Mit der Liebe ist es wie mit dem Rauchen, und die Warnung steht auf jeder Zigarettenschachtel, es kann also niemand behaupten, er habe nichts gewusst.
    Verlieben fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erheblichen Schaden zu. Verlieben macht sehr schnell abhängig: Fangen Sie gar nicht erst an! Verlieben kann zu einem langsamen und schmerzhaften Tod führen.
    »Bitte entschuldigen Sie, ich habe … Also ich wusste ja nicht. Und ich hätte bestimmt nicht auf Ihren Hund geschossen, sondern in die Luft, ehrlich. Zuerst ein Warnschuss. Das ist die Abfolge.«
    Johannes Winter schaute mich aufrichtig betroffen aus wässrig blauen Augen an.
    »Passt schon.«
    Der junge Mann blickte noch einmal forschend Felix ins Gesicht und zog dann ein Notizbuch aus der Brusttasche seiner blauen Jacke. »Sie haben hier also eine Waffe gefunden?«, fragte er mich.
    »Nicht ich. Mein Hund.«
    »Franza, hör auf mit dem Schmarrn!«, rief Felix, und Johannes Winter zuckte zusammen, als gelte ihm der Schmarrn.
    »Das kenn ich alles schon«, ranzte Felix mich an. » Nicht ich, sondern mein Hund . Ich wollte nicht hier spazieren gehen, mein Hund wollte das, ich wollte nicht weglaufen, mein Hund musste mal – und so weiter. «
    »Äh, Entschuldigung«, fragte Johannes Winter. »Kennen Sie sich?« Der Hellste schien er nicht zu sein. Immerhin kannte sein Chef meinen Hund. Also lag es nahe, dass er auch mich kannte. Aber vielleicht war er noch immer durcheinander. Felix schwieg. Ich schloss mich ihm an.
    »Äh, Felix, also, äh, was machen wir jetzt?«, wollte Johannes wissen.
    »Wir schauen den Fund an«, sagte Felix.
    »Da drüben«. Ich ging voraus zu der Ausgrabungsstätte neben dem Laubhügel. Johannes und Felix folgten mir in größerem Abstand. Leider hörte ich nicht, was sie sprachen. Am Fundort kniete sich Felix vor die Waffe.
    »Da schau her«, sagte er.
    »Echt echt?«, fragte Johannes.
    »Ja«, nickte Felix und blickte mich forschend an. Mir wurde heiß bei dem Gedanken, dass er mir nicht glaubte. Dass er den Fund für falschen Alarm gehalten hatte.
    »Sie sind also hier spazieren gegangen«, fasste Johannes zusammen, »mit Ihrem Hund, und dann haben Sie zufällig die Waffe …, also Ihr Hund hat die
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