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Sonst kommt dich der Jäger holen

Sonst kommt dich der Jäger holen

Titel: Sonst kommt dich der Jäger holen
Autoren: Michaela Seul
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hatte, wenn nicht überhaupt das Sagen .
    Um achtzehn Uhr würde heute sein Dienst beginnen. Ohne ihn. Und das zum dritten Mal in einer Woche. Nicht gut. Gar nicht gut. Außerdem sollte er um sechzehn Uhr Sinah zum Schwimmen bringen. Das war das Einzige, was er ihnen ankreiden konnte, dass sie ihm das Handy abgenommen hatten. Mit einem Griff hatten sie es ihm aus der Tasche gezogen, das Handy und seine Heckler, und dann der Stoß.
    Blöd, dass er selbst in Richtung dieser Zelle gelaufen war. Aber vielleicht doch nicht. Vielleicht gab es eine zweite Zelle, und Franza saß nebenan, wie war das mit den Morphiumfeldern, in denen alles miteinander verbunden war und jeder alles wusste, wenn er es nur glaubte? Hätte er ihr nur besser zugehört.

84
    Das halbe Dutzend Spaziergänge, das ich in dieser Gegend unternommen hatte, half mir nun sehr. Leider konnte ich nicht pfeifen. Ich musste Flipper suchen, ohne gehört zu werden. Ich konnte nur hoffen, dass er spürte, dass ich in seiner Nähe war. Und mich fand.
    Der besseren Sicht wegen kletterte ich auf einen Baum ziemlich weit oben am Hang. Meine Angst verlieh mir Affenarme. Um die Russenvilla war ein enger Kreis aus Polizisten gezogen. Streifenwagen und Zivilfahrzeuge, BMW und Audi, parkten im Wald. Die schwarz Uniformierten sammelten sich vor dem Haus, ein Truppführer sprach zu ihnen. Rechts und links neben dem Tor wurden Personen zusammengestellt, wahrscheinlich nach Gefährlichkeit, wer rechts stand, trug Handschellen. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen. Zu jeder Person gab es ein Blatt Papier, das der eine Polizist einem anderen weiterreichte. Hin und wieder durfte jemand gehen, das machte derjenige dann zuerst sehr langsam, und sobald er den magischen Kreis verlassen hatte, beschleunigte er seine Schritte. Manche rannten.
    … und da sah ich ihn! Flipper! Ich wollte rufen und brachte keinen Ton heraus – Flipper! … lief schwanzwedelnd zwischen den Polizisten in Grün und Zivil und Kampfanzügen hindurch, vorbei an Cateringpersonal und festgenommenen Russen – einfach in die Villa. Ich verlor die Kontrolle, sprang von viel zu hoch oben im Baum auf den Boden, rollte ab und lief den Hügel hinunter, landete unsanft in den Armen eines Polizisten. Mit übermenschlicher Anstrengung ließ ich Körperspannung ab und lächelte. Tralalalala. »Das ist mein Hund!« Ich wies zur Villa.
    »Sie können jetzt nicht weiter.«
    »Aber das ist mein Hund!«
    »Warten Sie hier.«
    Ich checkte die Lage. Ich hatte keine Chance. »Okay«, nickte ich und lehnte mich an einen Baum, ohne das Haus aus den Augen zu lassen. Mir war übel vor Angst. Von Felix wusste ich, dass viele Polizisten schlecht auf Hunde zu sprechen waren, ihre Klientel benutzte sie zu oft als Waffen. Da konnte ein Finger am Abzug sich schon mal krümmen, das hatte ich doch selbst erst kürzlich erlebt bei dem jungen Kollegen von Felix … und die Russen … So ein Chund chat wenig Bluht. Ist schnell leer.
    Nicht daran denken! Was du denkst, wird wahr.
    Flipper läuft in die Villa. Schwanzwedelnd. Jeder kann sehen: Das ist ein freundlicher Hund. Der tut keinem was zuleide, das sieht ein Blinder. Und wenn ihr Angst habt: Ruft einen Hundeführer. So gehört sich das. Felix hatte mir erzählt, dass es so gehandhabt wird. Holt einen, der sich auskennt. Von Flipper geht keine Gefahr aus … solange ihr ihn nicht provoziert …, aber das tut ihr doch nicht?

85
    »Nicht schießen!« Johannes wunderte sich selbst, wie laut er brüllen konnte, so laut, dass er das Durcheinander in der Villa übertönte.
    Der uniformierte Kollege wandte den Kopf, den Arm mit der Waffe noch immer ausgestreckt, zielte er auf Flipper, der zwei, drei Meter vor ihm stand und sein verhaltenes Wedeln mit einem grollenden Knurren begleitete.
    »Der fühlt sich bedroht!«, rief Johannes.
    »Ich bin bedroht«, erwiderte ein Kollege, der mit zwei anderen, die damit nichts zu tun haben wollten, die Treppe zum Kellergeschoss sicherte.
    »Ich kenn den Hund. Der tut dir nichts«, behauptete Johannes.
    »Nee, der will nur spielen!«, spottete der Kollege. Die Nerven blank. Adenalin pur. »Scheißrussenköter. Die haben doch alle Kampfhunde hier.«
    »Der Hund gehört keinem Russen.«
    Langsam ließ der Kollege die Waffe sinken. Seine Hand zitterte.
    »Nicht jeder große, schwarze Hund ist gefährlich, Kollege. Du musst ein wenig Hundesprache lernen. Man kann meistens sehr genau ablesen, was ein Hund im Schilde führt, und wenn man das
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