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Sonnenwanderer

Titel: Sonnenwanderer
Autoren: Colin Greenland
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»Identifizieren!«
    Käpt’n Jute schwenkte den Arm. »Reinlassen«, befahl sie. Die Menge gaffte sie an. Tabea hatte eine Vorahnung, noch ohne feste Kontur. Sie hätte nicht sagen können, warum sie ihr folgte.
    Im allerletzten Augenblick vor der Katastrophe öffnete sich ein Schlitz im heckwärtigen Energievorhang, und die Charisma, ein graubraunes Gürtel-Schiff mit den Insignien einer Bergbaugesellschaft, rauschte in einer großartigen, tollkühnen Schraube hindurch. Als der Pilot schließlich die Kontrolle verlor, sackte das Schiff in einer Wolke aus berstenden Landekufen und zersplitterndem Fahrwerk auf die Rampe. Drei Feuerwehrdrohnen stürzten sich schaumsprühend auf die Unfallstelle, derweil schwarzer Rauch aufkräuselte und das Cockpit aufflog.
    Darin erhob sich eine einsame Gestalt: eine hagere, kahlgeschorene Frau, die sich die Hände abwischte und lauter Kontrollleitungen von den Schläfen zupfte. Die Rettungsmaschinen mit Verachtung strafend, schwang sie sich über den Rand des Cockpits und ging dem Jeep entgegen.
    Tabea sprang heraus, lief auf sie zu und schrie: »Dodger!«
    »Tach, Mädel«, sagte die rußverschmierte Besucherin tapfer und ließ den stygischen Anblick eines von Aliens geschaffenen Raumdocks auf sich wirken. »Ich finde, du hast eine gute Chance, hier mal die Logistik zu optimieren.«
    »Dodger! Dodger Gillespie!« Es gab niemanden, dem sie lieber begegnet wäre.

3
    Logistik optimieren. Ein alter Witz aus einem anderen Leben. Vertragsfliegerei über viele Jahre, Vassily-Svensgaard-Postschiffe und Shinjatzu-Toiseach-Doppel-Ks von Phobos nach Autonomia und von St. Morag nach Lhasa. Seife und Seetang, Zement und Solarschaum, Tonnen und Kilotonnen. Die Schlafbatterien, die man Legebatterien schimpfte, und die eladeldischen Jobbörsen und die durchgelachten Nächte im Vergnügungsviertel von San Pareil!
    Dodger griemelte, das heißt, die Oberlippe kräuselte sich einseitig. Mehr Ausdruck kam selten in das hohlwangige Gesicht. Sie drehte sich den üblichen Glimmstängel.
    »Du hast doch nicht geglaubt, du könntest mich zurücklassen, oder?«
    »Gott, Dodger, es tut gut, dich zu sehen.« Plötzlich platzte Tabea vor Stolz. Sie warf die Arme in die Luft und hob das Gesicht gegen das düstere Gewölbe, die Flutlichter und Abweisschilde und schwarz verkrusteten Kranbrücken der Docks. »Du magst sie?«
    »Deine Freundin im Pyjama?«, sagte die Bruchpilotin. Das Feuerzeug schnippte, und die Schläfenbuchsen schimmerten rötlich auf. »Sie ist gegangen.«

    Tabea sah sich um. Der Jeep war leer. Sarah Zodiak hatte sich verdrückt. Gut möglich, dass ihr Bedarf an Zerstörung gedeckt war.
    »Doch nicht Sarah«, sagte Tabea. »Plenty. Mein Schiff!« Sie hätte hüpfen können vor Freude. In Dodgers Nähe wurde sie immer wieder zum Kind.
    Die Bruchlandung hatte eine Menge Leute angezogen. »Für alle hier«, verkündete Käpt’n Jute, »das ist Dodger Gillespie, die beste Frau, die je an einem Steuer saß!« Sie hob Dodgers rechte Hand und schüttelte sie wie ein Ringrichter, der einen Preisboxer begrüßt. Mikros zielten. AV - Kameras näherten sich vorsichtig der zischenden Unfallstelle. Man wollte Käpt’n Gillespie eine Decke umlegen und winkte ihr mit Geigerzählern.
    Tabea pfiff den Jeep herbei, und sie stiegen ein.
    »Sie haben später noch Gelegenheit, mit ihr zu reden«, versprach sie, als die Reporter vorpreschten. »Sie bleibt Ihnen erhalten!«
     
    Der Lift zog sie langsam die Zentralkluft hinauf zur Brücke. In den Tunnelöffnungen der vorbeikriechenden Stockwerke konnte Dodger manchmal Licht sehen; Stalaktiten und Supermärkte; Kinder, die in der Wasserfontäne einer kaputten Versorgungsleitung spielten.
    Hier, direkt vor ihnen, legte ein Forscherteam sein Geschirr an, schulterte die Rucksäcke und die orangerot fluoreszierenden Seilrollen. Sie winkten mit den Schutzbrillen. Käpt’n Gillespie winkte zurück.
    »Ist das ein richtiges Sternenschiff?«
    »Ist es«, sagte Tabea im Tonfall eines Showmasters, »ein richtiges Sternenschiff!«
    Dodger krauste einen Nasenflügel und blies Rauch aus dem
Mundwinkel. Sie sah durchs Fenster in die Düsternis empor. »Warum haben sie es nie benutzt?«
    »Keine Ahnung«, sagte Tabea abfällig. »Hat man je gewusst, warum die Frasqui etwas tun oder nicht tun?«
    Ihre alte Freundin blickte sie an. Sie lachte beinahe. »Und was willst du damit?«, fragte sie völlig taktlos.
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    Eine Spur ernsthafter fragte
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