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Sonnentaucher

Sonnentaucher

Titel: Sonnentaucher
Autoren: David Brin
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Ostflügel, in dem die Erwachsenen ihre Labors und Büros hatten.
    Jeremey ließ sich noch immer über den fortwährenden Mangel an Mitgefühl aus, den die Öffentlichkeit an den Tag legte, aber Jacob sah und hörte ihn nicht mehr. Sein Gesicht blieb starr und unbewegt, als Alice sich zu ihm herüberlehnte, um ihm aufgeregt ins Ohr zu flüstern – nein, um atemlos keuchend mitzuteilen, was sie erfahren hatte.
    »...Aliens, Jacob! Sie bringen Außerirdische mit! In ihren eigenen Schiffen! O Jake – die Vesarius bringt Eaties mit!«
    Es war das erste Mal, daß Jacob dieses Wort je gehört hatte. Oft hatte er sich seither gefragt ob Alice es wohl geprägt hatte. Damals, mit zehn Jahren, so erinnerte er sich, hatte er sich gefragt, ob ›Eatie‹ bedeutete, daß jemand anders dazu bestimmt sei, aufgefressen zu werden.
    Und als er über den Straßen von Tijuana dahinfuhr, wurde ihm plötzlich klar, daß diese Frage noch immer nicht beantwortet war.
    An mehreren Hauptkreuzungen hatte man ein Eckhaus abgerissen und an dessen Stelle eine regenbogenfarbige ›ET-Komfortstation‹ aufgestellt. Jacob sah mehrere der neuen offenen, flachen Busse, die dazu gebaut waren, sowohl Menschen als auch kriechende oder drei Meter hohe Aliens zu befördern.
    Als er am Rathaus vorbeikam, sah Jacob ein rundes Dutzend ›Häute‹, die dort als Mahnwache standen. Zumindest sahen sie aus wie ›Häute‹: Es waren in Felle gekleidete Leute, die Plastikspeere schwenkten. Wer sonst würde sich bei diesem Wetter so kleiden?
    Er drehte das Autoradio lauter und drückte auf den Vokalselektor. »Lokalnachrichten«, sagte er. »Schlüsselwörter: Häute, Rathaus, Mahnwache.«
    Es dauerte nur wenige Augenblicke, und eine mechanische Stimme mit der nicht ganz makellosen Intonation einer computergenerierten Vokalisation präsentierte eine Nachrichtenmeldung. Jacob fragte sich, ob sie den Tonfall wohl jemals richtig hinbekommen würden.
    »Kurzmeldungen.« Die Kunststimme sprach mit einem OxfordAkzent. »Heutiges Datum: 12. Januar 2246, neun Uhr einundvierzig. Guten Morgen. Vor dem Rathaus von Tijuana haben siebenunddreißig Personen in einer legalen Demonstration eine Mahnwache gebildet. Ihre registrierte Beschwerde richtet sich, kurz gesagt, gegen die Erweiterung der Extraterrestrier-Reservation. Bitte unterbrechen Sie, wenn Sie ein Fax oder die verbale Präsentation des registrierten Protestschreibens zu erhalten wünschen.«
    Die Maschine machte eine Pause. Jacob schwieg. Er war schon nicht mehr sicher, ob er die Meldung überhaupt zu Ende hören wollte. Ihm war wohlbekannt, weshalb die ›Häute‹ gegen die Reservate protestierten: Zumindest einige Menschen, meinten sie, seien nicht reif für den Umgang mit Aliens.
    »Sechsundzwanzig der siebenunddreißig Protestierenden tragen Bewährungssender«, berichtete der Nachrichtencomputer weiter. »Die übrigen sind selbstverständlich Bürger. Zum Vergleich: Im Großraum Tijuana kommt ein Proband auf einhundertvierundzwanzig Bürger. Das Verhalten und die Kleidung der Protestierenden legen nahe, sie vorläufig als Vertreter der sogenannten Neolithischen Ethik, landläufig unter der Bezeichnung ›Häute‹ bekannt, zu bezeichnen. Da keiner der ansässigen Bürger sein Heimfriedensprivileg geltend gemacht hat, kann man mit Sicherheit annehmen, daß dreißig der siebenunddreißig Demonstranten Einwohner von Tijuaner und die übrigen Besucher sind...«
    Jacob drückte auf den Aus-Knopf, und die Stimme brach mitten im Satz ab. Die Szene vor dem Rathaus war längst außer Sicht, und die ganze Geschichte war sowieso hinlänglich bekannt.
    Die Auseinandersetzung über die Erweiterung des ET-Reservats erinnerte ihn immerhin daran, daß es zwei Monate her war, seit er seinen Onkel James in Santa Barbara zuletzt besucht hatte. Der alte Bombasticus steckte wahrscheinlich inzwischen bis an die abstehenden Ohren in Gerichtsverfahren für die Interessen der Probies von Tijuana. Trotzdem würde er es zur Kenntnis nehmen, wenn Jacob auf eine lange Reise ginge, ohne sich von ihm oder den anderen Onkeln, Tanten, Vettern und Cousinen des weitverzweigten Alvarez-Clans zu verabschieden.
    Auf eine lange Reise? Auf welche lange Reise? dachte Jacob plötzlich. Ich fahre doch nirgendwo hin!
    Aber der Winkel seines Geistes, der für solche Dinge reserviert war, hatte bei dieser Zusammenkunft, die Fagin da einberufen hatte, längst etwas gewittert. Ein erwartungsvolles Gefühl erfüllte ihn und gleichzeitig der Wunsch, es zu
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