Sonne, Meer und Bea (German Edition)
Treppenhauses kleben überall Paan-Flecken auf dem nackten Beton. Die Familie begrüßt uns herzlich. Sie haben ein Zimmer, das sie regelmäßig vermieten. Eigentlich gehört es ihrem Sohn und seiner Frau, aber der arbeitet oft in Bombay und ist selten da.
Der Raum wirkt ganz okay, aber es ist seltsam, inmitten einer indischen Familie zu wohnen. Wir müssen das Badezimmer mit Herrn und Frau Sharma, ihren beiden Kindern, der Schwiegertochter und ihrem Baby teilen. Ihre Wohnung hat drei Zimmer. In einem wohnen wir. Mir ist bei der Enge nicht wohl, aber wir haben keine Wahl und können schlecht auf der Schwelle umdrehen. Wir ziehen ein.
Maja
Ich taste mit der Hand nach unserem Reisewecker. 2:40 Uhr. Och nee. Das indische Baby schreit in einer Tour. An Schlaf ist nicht zu denken. Ich fördere die Ohrenstöpsel aus meiner Umhängetasche zutage. Dankbar nimmt auch Paul sein Paar entgegen. Das Geschrei lässt sich nicht vollkommen abstellen, doch dringt es jetzt nur noch gedämpft zu mir. Ich lege mich zurück auf die Matratze und falle in einen unruhigen Schlaf. Ich fantasiere von einem schwarzhaarigen Baby, das auf meinem Schoß liegt. Paul schimpft mit mir:
»Stell doch endlich das plärrende Kind ab!«
»Paul, es ist doch nicht meins. Ich weiß nicht, wo der Ausschaltknopf ist.«
»Gibt ihm 500 Rupien, dann wird es schon aufhören.«
Am Morgen dringen Frauenstimmen zu uns. Die Küche grenzt an unser Zimmer. Wir bleiben noch eine Weile liegen und lauschen der Geschäftigkeit der Familie. Dann flüchten wir, ohne ihr einen guten Morgen zu wünschen, nach draußen. Ich brauche einen Kaffee!
Paul
Ich bin genervt. Die halbe Nacht hat das Kind geschrien. Es hat geraschelt und kurz vor sechs begann das Poltern und Klappern. Ich weiß nicht, was unsere indische Gastfamilie gemacht hat, aber ich bin gerädert. Nach der langen Busfahrt von Goa war das nun die zweite schlaflose Nacht. Da hilft nur ein anständiges Frühstück. Wir wollen es uns gemütlich machen und steuern die berühmte deutsche Bäckerei an. Aber was soll ich sagen? Ist nicht! Wegen eines Terroranschlags ist das Café gesperrt. Vor einem Jahr wurde der Laden von einem Deppen in die Luft gesprengt. Mir laufen eiskalte Schauer den Rücken hinunter. Dass die Reise gefährlich sein könnte, ist mir bislang nicht in den Sinn gekommen. Vollkommen unbedarft habe ich alles genossen. Und jetzt stehe ich vor den Trümmern meiner Unbeschwertheit.
Vor dem Haus sind Bambusgerüste aufgebaut und Arbeiter werkeln geschäftig. Wir gehen einmal um das Gebäude herum und stehen vor einem Schnapsladen. Der Verkäufer starrt uns an. Ich fühle mich unwohl und nehme Maja mit auf die andere Seite.
Statt in die Bäckerei, wo wir ökologisches Essen bekommen hätten, gehen wir in das stylische Mocha. Wir setzen uns draußen in die Hollywoodschaukel und trinken unseren Kaffee. Heute mag er mir aber nicht schmecken.
Träge ziehen wir danach durch die Straßen, vorbei am Ashram, in den mich keine zehn Pferde hineinbringen werden, weiter in einen Park. Wir setzen uns auf eine Wiese. Ich habe keine Lust mehr weiter zu gehen. Meine Beine versagen mir den Dienst.
Ich harre im Schatten und schaue ins Grün. Maja bleibt einen Moment neben mir sitzen. Dann springt sie auf und geht zu einem kleinen Stand, der sich am Eingang des Parks aufgebaut hat. Sie kommt zurück und präsentiert zwei aufgeschnittene Scheiben einer Wassermelone. Ich nehme eine dankend an und lasse mich, nachdem ich sie verschlungen habe, flach auf die Wiese fallen. Ich fühle mich hier nicht wohl. Mit dieser Feststellung verweigere ich mich einer Besichtigung der Stadt.
Heute will ich nur noch nach Hause. Der Reisekoller überkommt mich und zieht meine Laune nach unten. Zum Glück sind wir bald in Bombay.
Maja ist es langweilig: »Lass uns mal rein in die Stadt. Zur Not zu Fuß, wenn du keine Rikscha nehmen willst.«
Im Gegensatz zu mir ist sie vital. Sie gibt meiner Verweigerungshaltung keine Chance.
»Komm, sonst gehe ich ohne dich!«
»Ist schon gut. Dein Beschützer kommt ja mit.«
»Das ist fein.« Sie wuschelt mir über die Haare als wäre ich ihr Hund. Wir laufen in die Stadt hinein. In der Einkaufsstraße stürmen wir den Barista. Mir ist heiß und der Brrrista Frappé kommt genau im richtigen Moment. Die Kälte brennt auf meiner Zunge und zieht mein Gehirn zusammen. Genau das, was ich gebraucht habe.
»Wie geht es dir?«, fragt Maja besorgt nach. »Du bist heute echt nicht gut drauf!«
»Keine
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