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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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merkwürdiger Auftritt von Luisas Mutter, den ich mir
nicht erklären konnte.
    Als
nächste Möglichkeit fiel mir Atlantis ein, der einsame Ort am
Meer,  Luisas Lieblingsplatz. Immerhin war es möglich, dass sie sich
dorthin zurückgezogen hatte und ich machte mich auf den Weg.
    Der
Sommer hatte sich in diesem Jahr früh verabschiedet, vom Wasser her kam ein
schneidender Wind. Ab und zu gab es kurze Regenschauer.
    Meine
Aufregung wuchs, je näher ich Atlantis kam. Natürlich wünschte ich mir,
dass Luisa dort war, gleichzeitig aber fürchtete ich mich vor einem
Wiedersehen. Ich hatte Angst vor ihren Antworten, auch wenn die Fragen mir auf
der Zunge brannten.
    Die
Bäume bogen sich wie Schilf im Wind. Als ich die ersten der überall herumliegenden
Stacheldrahtrollen  hinter mich gebracht hatte, überfiel mich plötzlich
die Vision, Luisa hier mit Dean anzutreffen. Ich blieb stehen, um zu lauschen,
aber außer dem Wind in den Bäumen und dem Kreischen der Möwen vom Meer her
hörte ich nichts.
    Beim
Weitergehen handelte ich mir durch einen verrosteten  Stacheldrahtfetzen
einen langen und tiefen Riss am linken Fuß ein. Ich fluchte laut - zu laut.
Wenn tatsächlich jemand auf dem Gelände war, hatte ich mich spätestens jetzt
verraten. Am liebsten hätte ich mir die Zunge abgebissen.
    Ich
humpelte weiter und roch schon bald das abgestandene Wasser des Tümpels. Dann
sah ich die moosbewachsene Steinplatte, auf der Luisa mir die Geschichte der
beiden unglücklich Verliebten erzählt hatte, die mich im Nachhinein noch
stärker beeindruckte als damals ohnehin schon. Manchmal dachte ich nun wieder,
dass sie viel mehr mit uns beiden zu tun hatte als ich in der Zwischenzeit
geglaubt hatte. So war Henry einmal zum Verräter geworden, genau wie der Freund
des Jungen in der Geschichte. Auch wurde immer deutlicher, dass manche
Leute  Betty als eine Art Hexe ansahen. Zwar war sie nicht Luisas Mutter,
dafür aber eine Ersatzmutter für mich . Doch all diese Verbindungen
machten für mich noch keinen Sinn. 
    Von
weitem sah es nicht so aus, als wäre jemand auf der Steinplatte. Ich näherte
mich vorsichtig, immerhin war es möglich, dass sich jemand, von meinem Schrei
gewarnt, im Gebüsch versteckt hielt. 
    Erst
als sich nach mehreren Minuten nichts geregt hatte, kam ich aus der Deckung und
kletterte auf die Platte. Mein Fuß schmerzte, eine dünne Schorfkruste hatte
sich auf der Wunde gebildet. Ich setzte mich an die äußerste Steinkante und
starrte auf den Tümpel, der so geschützt lag, dass das Wasser trotz des Windes
ganz still war. Die besondere Atmosphäre von Luisas Geschichte  breitete
sich in mir aus.    
    Es
war erst ein paar Monate her, dass wir zusammen hier gewesen waren. Manchmal
fühlte es sich ganz weit weg an, dann wieder, als sei es erst gestern gewesen.
    Damals
war ich mir zunächst auch sicher gewesen, dass Luisa mit ihrer Geschichte uns
beide gemeint hatte.  
    Sie
hatte mit mir schlafen wollen, aber ich hatte mich aus der Affäre gezogen.
Später, bei mir zu Hause, wäre es dann doch passiert, wenn nicht Betty
dazwischen gekommen wäre. Aber irgendwie war ich auch dieses zweite Mal nicht
ganz bei der Sache gewesen. Irgendetwas hatte gefehlt.
    Plötzlich
zuckte ich zusammen. Von hinten legten sich zwei Hände auf meine Augen, ohne
dass ich vorher den kleinsten Laut gehört hätte.
    „Luisa?“
    Sie
nahm die Hände weg und setzte sich neben mich. Sie roch nach Pfefferminz.
    „Was
machst du hier?“, fragte sie.
    „Ich
hab dich gesucht. Bist du schon länger hier?“
    „Gerade
gekommen. Wieso?“
    „Nur
so.“
    „Was
hast du mit deinem Fuß gemacht?“
    „Bin
am Stacheldraht hängen geblieben. Übles Zeug.“
    Ihr
Finger glitt vorsichtig an der Wunde entlang. Es tat kaum weh.
    „Warum
hast du mich gesucht?“, fragte sie. Ihre Stimme klang ruhig und warm. Ein
bisschen so wie Bettys Stimme, wenn sie sich gut fühlte.  
    „Ich
muss mit dir reden“, sagte ich, wich aber ihrem Blick aus.
    „Das
trifft sich gut“, erwiderte Luisa. „Ich auch mit dir .“
    Und
nach einer kurzen Pause: „Warum klappt es mit uns beiden nicht so, wie es
sollte?“, fragte sie.
    Und
ich fragte zurück: „Wie sollte es denn?“ und grinste ein bisschen.
    „Oder:
Wie es klappen könnte ?“, korrigierte  sie sich leise. Ihr Kinn lag
auf den angewinkelten Knien. Sie sah mich durchgehend an.
    „Und
wie könnte es?“, fragte ich, wieder ganz ernst.
    „Besser,
viel besser, Julian. Ich will viel mehr von dir. Ich
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