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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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ihm fand. Sicher, er war gut
aussehend, war groß, dunkelhaarig und wirkte einigermaßen sportlich, aber das
war eher die Standardbeschreibung für all ihre Lover. Und wie all seine
Vorgänger sah auch er nach Geld aus: teurer Schlitten und Markenklamotten aus
der Edelboutique. Roger war Rechtsanwalt, genau wie Robert, Bettys Exmann. Auf
diesen Berufszweig stand sie besonders.
    „Willst
du ihn heiraten?“, fragte ich Betty eines Tages, als wir gerade im Garten Wäsche
von der Leine nahmen und die Sonne über unseren Köpfen aussah wie eine riesige
Kugel Zitroneneis. Betty antwortete mir mit einem kurzen Seitenblick.
    „Das
würde doch Vieles erleichtern“, stocherte ich weiter. „Einer von euch beiden könnte
sein Haus aufgeben, vielleicht könntet ihr euch sogar auf ein Auto beschränken,
ihr brauchtet keine Nacht mehr ohne einander sein, es gäbe steuerliche Vorteile
...“
    Betty
schwieg finster, während ich noch einen draufsetzte: „Wenn du wolltest, könntest
du sogar deine diversen Jobs aufgeben. Finanziell und arbeitstechnisch
betrachtet würde sich ein solches Bündnis auf jeden Fall lohnen. Und emotional
...“
    Jetzt
endlich hatte Betty die Nase voll. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“, fragte
sie. Sie klang nicht mal so sauer, wie ich es erwartet hatte.
    „So
was Ähnliches“, erwiderte ich und ließ achtlos eine Hand voll Wäsche in den
Korb fallen. Dazu machte ich ein todernstes Gesicht. Da Betty nichts sagte,
fügte ich hinzu: „Ich finde den Typen ja nur ätzend.“
    Sie
hielt im Zusammenfalten eines Handtuchs inne, ihre grünen Augen sprühten Feuer.
Sie hatte mir noch nie eine geklebt, aber jetzt fürchtete ich, dass es soweit
war.
    „Du
hast Recht“, sagte sie plötzlich und ihr Zorn verwandelte sich von einer Sekunde
zur anderen in ein Lächeln. „Er ist wirklich ätzend. Aber er hat auch gewisse
Eigenschaften, auf die ich nicht verzichten möchte. Jedenfalls noch nicht.“
    Ich
schaffte es nicht, ihr Lächeln zu erwidern. Nur zu gut konnte ich mir
vorstellen, welche Eigenschaften sie meinte, mit denen ich natürlich nicht
dienen konnte. Allein beim Gedanken daran wurde mir schlecht. 
     
     
    Irgendetwas
an ihm war anders als sonst.  Henrys Gesicht wirkte sonst immer ein
bisschen verschlafen. Jetzt aber sah er aus, als habe ihn jemand bei den
Schultern gepackt und kräftig durchgeschüttelt.
    „Ich
muss mit dir reden“, sagte er. „In der großen Pause.“
    So
langsam ahnte ich, woher der Wind wehte. Wahrscheinlich hatte er wieder ein
Gespräch zwischen Dean und seinem Fleischklops belauscht und die große Panik,
dass sie mich fertigmachen wollten, hatte ihn erneut gepackt.  Was mich
dennoch zu unserem geheimen Treffpunkt trieb, war nicht Neugier, sondern das
Gefühl, Henry nicht  hängenlassen zu können.
    „Na,
was gibt’s?“, fragte ich, als ich zwischen die Sträucher trat. Henry stand
rauchend da, eine Hand in der Tasche, noch immer schien er seltsam aufgewühlt.
    „Du
errätst nie“, rief er, „was mir gestern Abend passiert ist!“
    Schlagartig
wurde mir klar, dass die Sache nichts mit Dean zu tun haben konnte. Ich nahm
ein Leuchten wahr hinter Henrys Brillengläsern: Er hatte keine Angst, er war
happy!
    „Du
glaubst nicht“, seine Stimme zitterte leise, „wer mich gestern gefragt hat, ob
ich sie auf ein Eis einladen möchte.“
    „Shakira?“,
fragte ich.
    „Ulla!
Wahnsinn, nicht?“
    „Und?“
Ich versuchte überrascht auszusehen. „Wirst du’s tun?"
    „Was
denkst du denn?“ Henry war fassungslos über diese Frage.
    „Na
dann, herzlichen Glückwunsch. Freut mich echt, Mann.“
    In
diesem Moment kam etwas vom Himmel direkt auf uns herab gesaust. Dieses Etwas
war faustgroß und traf Henry an der rechten Schulter. Nach ein paar
Schrecksekunden verzerrte sich sein Gesicht vor Schmerz, er presste die linke
Hand auf seine Schulter. Vor uns auf dem Boden lag das Wurfgeschoss, es war ein
in Papier eingewickelter Stein, den ich aufhob. In diesem Moment kapierte ich
erst richtig, was passiert war. Den Stein  in der Hand rannte ich los, um
den feigen Angreifer zwischen den Büschen zu suchen, weit konnte er noch nicht
sein.
    Doch
die Sache erwies sich als sinnlos. Der Stein war direkt von oben in unser
Versteck gefallen, weshalb sich nicht mal die Wurfrichtung bestimmen ließ.
Allmählich ging mir auf, dass dieser Anschlag nicht nur feige, sondern vor
allem Gefährlich war. Reiner Zufall, dass es Henry nur an der Schulter erwischt
hatte. Ebenso gut hätte
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