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Sommersturm

Sommersturm

Titel: Sommersturm
Autoren: Olaf Buettner
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hin. Statt den Ball zurückzuwerfen,
stand ich auf und überreichte ihn ihr mit einer gewissen Feierlichkeit.
    „Danke!“,
sagte sie entsprechend offiziell und lächelte. Ihre Haut war sehr hell, voller
kleiner Sommersprossen und auf  Schultern und Nasenspitze schon etwas rot
von zu viel Sonne.
    „Luisa!“,
rief ich ihr hinterher, sie drehte sich um.
    „Ja?“
    Ich
suchte nach Worten. „Pass auf, dass du dir keinen Sonnenbrand holst.“
    Ungefähr
eine Sekunde lang schaute sie mich leicht verdattert an, blieb aber ganz ernst.
Dann endlich lächelte sie wieder.
     „Danke
für den Tipp“, sagte sie.  
     Ich
sah noch, wie sie sich zu Dean auf die Decke setzte. Das Grinsen war ihm
vergangen. Ich warf mein T-Shirt auf unsere Decke und rannte ins Wasser.
    Betty
wirkte plötzlich merkwürdig angespannt. Ich hatte keine Ahnung, weshalb.

 
    7
     
    Wo
immer Betty auftauchte, spielten die Typen verrückt. Dabei kam es mir manchmal
so vor, als seien die Typen ihr nur lästig, weshalb ich mich wunderte, wie
viele davon sie zu Hause anschleppte. Allerdings sah ich nie einen ein zweites
Mal bei uns. Männer kamen und gingen in Bettys Haus und Leben. Keiner spielte
eine Rolle. Weder für Betty noch für mich. Daher konnte auch keiner auf die
Idee kommen, den Ersatzdaddy für mich zu spielen. Bei der bloßen Vorstellung
bekam ich einen regelrechten Horror. Nie im Leben wollte ich einen anderen
Vater haben als den, den ich gehabt hatte. Ohne perfekt zu sein, war er doch
mein Vater gewesen.
    Der
Erste, den ich nicht nur ein zweites, sondern sogar ein drittes Mal bei Betty
sah, hieß Roger. Er bestand darauf, dass sein Name englisch ausgesprochen
wurde: Rod-scher. Tat man das nicht, entglitten ihm auf der Stelle die
Gesichtszüge. Sie verspannten sich völlig und an mehreren Stellen zuckte es
seltsam. Als ich am Morgen seines dritten Besuches aus dem Haus ging, zerstach
ich ihm mit meinem Messer die Hinterreifen seines dunkelgrünen Alfa Romeo
Cabriolets, beim Herausziehen zischte es. Allein das Geräusch verlieh mir ein
Gefühl tiefer Befriedigung.
    Kurz
darauf trat Roger auf die Straße, blinzelte genießerisch in die Sonne des neuen
Tages und wischte sich mit Zeigefinger und Daumen über seinen buschigen
Oberlippenbart. Es gelang mir zu verschwinden, bevor er mich hinter dem Auto
entdecken konnte.
    Zugegeben:
Es war keine Heldentat, ihm die Reifen zu zerstechen, es war noch nicht mal
besonders einfallsreich. Trotzdem hoffte ich, dass die Operation ihre Wirkung
nicht verfehlte. Ich wünschte mir absolut, diesen Menschen nie wieder bei Betty
zu sehen. Dabei fand ich ihn nicht mal besonders unsympathisch. Sein einziger
Fehler: Er war zu anhänglich. 
      
    Ein
paar hundert Meter vor dem Schulgelände fing Henry mich ab. Schon von Weitem
sah ich, dass er noch blasser war als sonst, nervös zog er an seiner Kippe.
    „Dean
plant irgendwas gegen dich“, zischte er mir aufgeregt zu.
    Ich
sprang von meinem Rennrad. Nicht wegen seiner Neuigkeit, sondern um ihn zu
begrüßen.
    „Und
was plant er so“, fragte ich gelassen.
    „Keine
Ahnung“, erklärte Henry. Seine Sorge schien echt.
    Langsam
schlenderten wir Richtung Schule. Es war ein wunderschöner Sommermorgen, in den
hohen Kastanienbäumen zwitscherten die Vögel. „Ich habe ein Gespräch
belauscht“, fuhr Henry fort. „Zwischen Dean und Thielke.“
    Thielke
war der Fleischklops der Schule. Er überragte Dean um Kopfeslänge und wog
mindestens das Doppelte. Dafür war sein Hirn erbsengroß, falls er überhaupt
eins hatte. Ich fragte mich ernsthaft, wie er es fertig gebracht hatte, in die
Oberstufe eines Gymnasium   zu gelangen. 
    Jedenfalls
führte er sich Dean gegenüber auf wie ein unterdrückter Köter bei seinem
Herrchen. Allerdings war Thielke weder Dackel noch Pudel, sondern Kampfhund: so
stark wie blöd (womit ich keinen Kampfhund beleidigen will).
     Wenn
Dean bei einem Streit nicht weiterkam, ließ er Thielke von der Leine und
schickte ihn ins Rennen. Als letzten Trumpf, der immer stach. Thielke brauchte
einen nur  aus seinen tief liegenden, stets ein wenig blutunterlaufenen Augen anzuglotzen und die Angelegenheit war geregelt.
    „Und
worüber haben die Herren geredet? Ist ihre Verdauung in Ordnung? Oder haben sie
Blähungen, die Armen?“
    „Sehr
witzig … Etwas Genaues habe ich nicht verstanden“, erklärte Henry angespannt.
„Aber dass es um dich ging, war klar. Dein Name fiel andauernd.“
    „Vielleicht
gefällt er ihnen“, meinte ich
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