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Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade

Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade

Titel: Sommerlicht Bd. 5 Aus dunkler Gnade
Autoren: Melissa Marr
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auf den Sand und das Felsgestein rieselte. »Wir mögen die Geflügelte nicht. Sie ist in unseren Wellen nicht willkommen.«
    »Ja«, sagte Keenan. »Die Bestie  … sie hat ihre Flügel wiedergefunden. Sie sind jetzt real. Sie fliegt gut und weit.«
    Die Wasserelfe warf ihre salzverkrusteten Haare über die Schulter und trat näher. »Du zögerst.«
    Keenan ermahnte sich, dass ein Rückzug zu diesem Zeitpunkt ein Fehler wäre. Selbst Wasserelfen besaßen einen ausgeprägten Jagdinstinkt. Und wenn ich wegliefe, würde ich im Wasser landen. Er ließ das seiner Haut innewohnende Sonnenlicht aufscheinen. Es war nicht seine Absicht, sie anzugreifen, aber wenn sie erst nach ihm griff, konnte er es wahrscheinlich nicht verhindern.
    »Du bist stark und …«, er zeigte nach rechts, wo die Wellen fast bis an seine Füße schlugen – »du und deinesgleichen, ihr habt eine beunruhigende Ausstrahlung.«
    Die Elfe lächelte und entblößte dabei ihre scharfen Zähne. »Wir haben in diesem Moment nicht vor, dich zu töten.«
    Seine Angst brandete auf und eine Welle schlug seine Beine empor und durchnässte ihn bis zum Oberschenkel. »Und im nächsten Moment?«
    Statt einer Antwort zeigte sie auf die Nische, in der sie gewartet hatte. »Du bleibst hier, während ich es den anderen sage – es sei denn, du vertraust mir und kommst mit unter Wasser.«
    »Nein.« Keenan ging zu der Vertiefung und lehnte sich an den Felsen. Seine Weigerung gründete nicht nur auf Misstrauen: Wasserelfen dachten anders als Landbewohner. Es war durchaus möglich, dass sie unterwegs vergaß, dass Landbewohner Luft brauchten. Und wenn er bewusstlos war, konnte er niemanden mehr davon überzeugen, sich mit ihm zu verbünden.
    »Ich warte hier am Strand«, fügte er hinzu.
    Die Salzelfe ging ins Wasser und verschwand. Der Schaum, der an der Stelle trieb, wo sie eben noch gestanden hatte, wurde von der nächsten Welle auseinandergespült. Der Übergang von Festem zu Flüssigem war unmittelbar und vollständig. Die Salzelfe war weg.
    Er stieg auf den Felsen. In direkter Reichweite des Wassers zu bleiben, erschien ihm unklug, zumal die Flut kam. Beim Klettern warf er seinen üblichen sterblichen Zauber über. Er gab seinem kupferfarbenen Haar einen bei Sterblichen verbreiteten rötlichen Ton, und auch seine Augen nahmen ein fast schon menschenübliches Grün an. Das von seiner Haut abstrahlende Sonnenlicht verbarg er. Dieses vorgetäuschte Äußere flößte ihm ein merkwürdiges Wohlbehagen ein, so als wäre er in seine Lieblingsjacke geschlüpft. Die Blicke der sterblichen Mädchen am Strand waren willkommener Balsam für seinen noch immer verletzten Stolz.
    Vor ihm baute sich eine unnatürlich hohe Welle auf. Sterbliche wiesen mit Fingern darauf, und Keenan unterdrückte ein Stirnrunzeln. Im Zusammenleben mit Sterblichen fand man schnell heraus, was zu auffällig für sie war, als dass sie es sich wegerklären konnten. Und eine einzelne sechs Meter hohe Welle in einem ansonsten ruhigen Meer war definitiv zu auffällig.
    Oben auf dem Wellenkamm thronte eine Gestalt. Keenan hätte sie als Elfe bezeichnet, aber darüber hinaus kannte er keine Worte, die ihm passend für sie erschienen. Einzelne graue Hautpartien und ihre schwarzen Augen waren klar zu erkennen, doch der übrige Körper war von seltsam faserigem Seetang verhüllt. Die Sterblichen konnten diese Gestalt nicht sehen; dessen war Keenan sich sicher. Niemand schrie. Auf jeder Seite der hoch aufragenden Welle galoppierte ein Wassergeist. Die pferdeähnlichen Wesen durchschlugen die Wasseroberfläche mit ihren Hufen, und das Meer schäumte unter ihrer Berührung. Wenn er leicht zu verängstigen gewesen wäre, hätte dieser Auftritt Eindruck auf ihn gemacht. Doch Keenan war von einer überaus exaltierten Mutter großgezogen worden – einer Mutter, die das Zepter des Winters trug – und war selbst der Sommer in Person. Das machte es schwer, ihn zu beeindrucken.
    Er wartete, bis das Meer sich wieder beruhigt hatte und die Wassergeister verschwunden waren. Die seltsame Kreatur wurde von der Welle zu Keenan auf den Felsen getragen und verwandelte sich im Bruchteil einer Sekunde in eine schlanke Elfe mit menschenähnlicher Gestalt. Keenan konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob sie männlich oder weiblich war, aber sie hatte ebenso viel von einem Tänzer wie von einem Krieger an sich. Die Elfe setzte sich neben ihn und schlug die Beine übereinander.
    »Wir sprechen nicht mit deinesgleichen. Nicht hier
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