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Sommerkuesse

Titel: Sommerkuesse
Autoren: Sara Ryan
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als wir uns in die Warteschlange einreihen, an deren Ende irgendeine noch nicht zu identifizierende, rötliche, nudelartige Substanz ausgeteilt wird.
    »Wieso das denn?«, fragt Katrina.
    »Ich war letzten Sommer schon hier. Die haben nie koscheres Essen vorbereitet, sodass sie jedes Mal extra was machen müssen, und damit wächst die Chance, dass man was Anständiges bekommt. Natürlich haben die in der Küche keine Lust dazu, aber sagen dürfen sie nichts, sonst könnte man sie ja für Antisemiten halten.«
    Mich überzeugt er, aber Katrina schüttelt den Kopf. »Nö. Ich kämpfe lieber weiter für die Anerkennung von Ranch Dressing als wertvolles Grundnahrungsmittel.«
    »Ranch Dressing ist abartig«, sage ich.
    »Also, ich bin auf deiner Seite. Ranch Dressing ist geil«, sagt eine unbekannte Stimme hinter Katrina. Sie gehört einem schlaksigen Asiaten mit Pferdeschwanz, Armeejacke, schlabbrigen Skatershorts, weißen Socken und … Konzertschuhen – eine andere Bezeichnung fällt mir dafür nicht ein – aus schwarzem Lackleder, schick. Die Art von Schuhen, die man auf Schulkonzerten anziehen muss, wenn man im Orchester spielt.
    »Vielen Dank für die spontane Solidaritätserklärung, Fremder. Ich heiße Katrina und du bist …?«
    »Kevin.«
    Wir stellen uns alle vor. Kevin grinst uns schläfrig an. Schwer einzuschätzen, ob er bekifft ist oder einfach supercool.
    »Und wofür haben sie dich drangekriegt?«, fragt Battle.

    Kevin guckt ratlos.
    »Ich glaube, sie will wissen, was du für einen Kurs belegt hast«, dolmetsche ich.
    »Ach so. Knastsprache, verstehe. Das ist gut«, sagt er, lacht aber nicht. Nach einer kurzen Denkpause antwortet er: »Äh … Musik. Theorie.«
    »Ach, echt? Meine Bratschenlehrerin wollte auch, dass ich da reingehe, weil ich während der Ferien ja keine Stunden bei ihr nehmen kann. Aber ich weiß überhaupt nicht, was Musiktheorie genau ist. Was macht man denn da?«, frage ich.
    Kevin blinzelt ein paarmal. Es ist, als würden wir im Internet chatten und er hätte eine total lahme Verbindung. Irgendwann sagt er: »Na ja, es geht um die Strukturen, die man zum Komponieren braucht.« Nach ein paar weiteren Sekunden fügt er noch hinzu: »Tonarten.«
    Ich spiele seit über fünf Jahren Bratsche, trotzdem bin ich nach dieser Erklärung kein bisschen klüger. Vielleicht hat er sie sich ja auch nur ausgedacht.
    »Wolltest du in Musiktheorie?«, fragt Battle. »Das war deine Idee, nicht die von deinen Eltern?«
    Kevin nickt und schiebt sich in der Warteschlange zu Battle und mir vor.
    »Hattest du denn auch freie Wahl?«, will Isaac von Battle wissen.
    Sie nickt. »Ich hab Geschichte belegt – heißa!«
    »Ah, da war ich letztes Jahr drin. War okay«, sagt Isaac. »Es ist pure Zeitverschwendung, sich von seinen Erzeugern was reindrücken zu lassen. Andererseits – vor die Wahl gestellt, sich entweder in einen langweiligen Kurs zu setzen oder die Ferien mit Mom und Dad zu verbringen …«

    »… entscheidet man sich für das geringere Übel«, beendet Katrina den Satz für ihn.
    Ich lache zwar mit den anderen mit, fühle mich aber gleichzeitig ein bisschen unbehaglich. Bin ich hier etwa die Einzige, die ihre Eltern mag?
    Isaac bestellt sein koscheres Essen und schaut total entsetzt, als ihm ein Teller mit einer undefinierbaren, schlammig grünen Masse hingeschoben wird, die sogar noch unappetitlicher aussieht als die rote Pampe, auf die wir anderen warten. »Kohlrouladen«, erklärt der Typ hinter der Theke. »Letztes Jahr war die Nachfrage so groß, dass die Küche beschlossen hat, diesmal auch ein fertig vorbereitetes koscheres Menü anzubieten.«
    »Scheiße«, flucht Isaac.
    »Nö, Kohl!«, witzelt Katrina gut gelaunt. Dann fragt sie den Mann an der Ausgabe: »Kann ich einen Salat bekommen und so etwa sieben Tüten von dem Ranch Dressing?« Der Typ schiebt sie ihr großzügig hin.
    »Boah, ist das eklig«, stöhne ich. Katrina lacht nur und legt die Tütchen mit dem Dressing auf ihrem Tablett zu einem großen »K« zusammen.
    »Und du bist wahrscheinlich Vegetarierin, was?«, fragt der Typ mich.
    »Was krieg ich denn, wenn ich eine bin?«, frage ich zurück.
    »Überbackenen Käsetoast und grüne Bohnen«, sagt er.
    »Her damit!« Ich bin begeistert. Das ist mein absolutes Lieblingsessen – na ja, wenn man die grünen Bohnen mal weglässt. »Da musst du aber ein paar Minuten drauf warten«, sagt er. Die magischen Worte.
    »Mach ich doch gern«, sage ich und grinse.
    Kevin beschließt,
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