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Sommerglück

Sommerglück

Titel: Sommerglück
Autoren: Luanne Rice
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die geborene Freiberuflerin«, hatte sie gesagt, als sie Bay im Connecticut College anrief, um ihr noch vor ihren Eltern die Neuigkeit mitzuteilen. »Ich habe keine Lust, mich ins Joch spannen lassen, ich mag nicht einmal zu den Vorlesungen in meinem Hauptfach erscheinen – stell dir vor, wie viel Spaß ich als Mitglied eines großen amerikanischen Unternehmens hätte.«
    »Was willst du tun?«
    »Zuerst einmal den Winter in Vermont verbringen und Ski fahren – die Tante einer Kommilitonin hat eine Frühstückspension in Mad River Glen, vielleicht kann ich dort als Zimmermädchen arbeiten.«
    »Tara, die Betten macht?« Bay erschrak angesichts der Vorstellung, dass ihre kluge, energiegeladene Freundin den lieben langen Tag Böden schrubben und staubsaugen wollte.
    »Damit habe ich kein Problem. Ich werde mich beeilen und schon vor dem Mittagessen fertig sein, so dass ich den ganzen Nachmittag zum Skifahren habe.«
    »Tara, hoffentlich machst du keinen Fehler. Du bist so klug, könntest viel erreichen –«
    »Es gefällt mir, dass ich dann viel Zeit zum Nachdenken habe. Putzen ist eine Arbeit, bei der man die kleinen grauen Zellen nicht einschalten muss – ich kann meiner Fantasie freien Lauf lassen und mir überlegen, was ich wirklich mit meinem Leben anfangen möchte.«
    Tara hatte den Job angenommen und war im Sommer nach Hubbard’s Point zurückgekehrt. Ihre Eltern hatten ihr klargemacht, wenn sie das College ein für alle Mal an den Nagel hängen wollte, müsste sie selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen, und so hatte sie am Strand und im Foley’s Zettel am schwarzen Brett befestigt: »Sand auf den Fußböden? In den Betten? Betreten Sie ein sauberes Haus. Anruf genügt.«
    Ihre Mutter war aus allen Wolken gefallen, aber das Telefon stand nicht mehr still. Tara war ständig ausgebucht. Sie hatte nie mehr den Wunsch verspürt, auf das College zurückzukehren. Es machte ihr immer noch Spaß, ihr eigener Herr zu sein und genug Zeit zum Nachdenken zu haben.
    Bay schob den Schreibtischsessel zurück und betrachtete ihr Hochzeitsbild auf der anderen Seite des Raumes. Tara stand neben ihr, lächelte vor Freude. Und Bay und Sean sahen überglücklich aus – sie strahlten, hielten sich an den Händen, in ihren Augen spiegelte sich die Liebe wider, die sie füreinander empfanden. Welche Träume hatte sie an jenem Tag gehabt? Bay konnte sich nicht erinnern, aber im Lauf der Jahre war sie zu der bestürzenden Erkenntnis gelangt, dass sie sich von denen ihres Mannes beträchtlich unterschieden.
    Nun musste sie den beiden anderen Kindern Bescheid sagen, dass sie kurz mit Tara wegfahren, aber gleich wieder zurück sein würde. Als sie vom Schreibtisch zurücktrat, fiel ihr Blick auf das Faxgerät. Das rote Licht blinkte, die Mitteilung »Papier nachfüllen« war verschwommen auf der kleinen Anzeige sichtbar.
    Bay zögerte. Tara war bereits unterwegs, sie mussten Annie einholen …
    Irgendetwas bewog sie, auf der breiten Türschwelle stehen zu bleiben. Dann drehte sie sich um und ging zum Faxgerät zurück. Das rote Licht blinkte nur dann, wenn ein Fax eingegangen und das Papier zu Ende war. Bay holte eine Hand voll Blätter aus der Schublade und fädelte sie in den Schlitz ein.
    Das Gerät begann unverzüglich zu drucken.
    Bay las die Seite, während sie durchlief. Sie trug den Briefkopf eines Bootsbauers in New London. Handgeschrieben befand sich oben das gestrige Datum und darunter eine Reihe von Zahlen, allem Anschein nach Maßangaben. Die Handschrift kam ihr vertraut vor, aber Bay kannte niemanden, der Boote baute. Sie las:
    Lieber Sean,
    danke, dass du noch einmal vorbeigeschaut hast. Sieh dir bitte die Leistungsbeschreibungen an – entsprechen sie deinen Vorstellungen? Ich habe das Boot am Innenholz auf den Spanten um fünf Zentimeter breiter gemacht, wegen der Stabilität. Komm jederzeit auf der Werft vorbei oder ruf im Büro an.
    Dan Connolly
    Bay schnappte hörbar nach Luft. Was sie in den Händen hielt, war offensichtlich ein Kostenvoranschlag. Zweitausend Dollar unter dem Strich, was sie allerdings kaum wahrnahm. Dan Connolly. Sie hatte ihn seit Jahren nicht mehr erwähnt, hatte seine Handschrift seit der Highschool nicht mehr zu Gesicht bekommen. Aber sie dachte jedes Mal an ihn, wenn sie die hölzerne Uferpromenade entlangschlenderte oder eine Mondsichel am Himmel sah.
    Neben Tara war Danny Connolly der einzige Mensch gewesen, dem Bay alles anvertrauen konnte, in dem Sommer, als sie fünfzehn
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