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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest
Autoren: Frank Goosen
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nicht, er hat eine Fahrkarte mit Zugbindung gebucht. Sparpreis.
    »Aber du hast doch Montag früh dieses Vorsprechen.«
    »Ich weiß.«
    »Dann musst du doch morgen zurückkommen, sonst schaffst du das doch gar nicht!«
    »Ich weiß.«
    »Das kannst du dir nicht entgehen lassen, jetzt wo sie dir deinen Vertrag nicht verlängert haben.«

    »Es ist ein Vorsprechen für eine Vorabendserie. Weiß der Geier, ob ich da mit einem Affen spielen muss oder einem Köter oder einem Elefanten oder einem Lama oder was weiß ich, jedenfalls ist es was mit Tieren.«
    »Aber du musst doch arbeiten, Stefan! Wovon willst du denn leben?«
    Da sagt er jetzt mal nichts zu.
    »Oh Gott, ich komme mir so blöd vor«, sagt Anka. »Ich höre mich so verkrampft und spießig an. Ich mach mir einfach Sorgen. Ich weiß auch nicht.«
    Was soll er darauf erwidern? Sie macht sich Sorgen um ihn. Das ist gut und richtig in einer Beziehung.
    »Du musst dir keine Sorgen machen«, sagt er. »Ich verkaufe das Haus meiner Eltern, und mit dem Geld kann ich mich eine Zeit lang über Wasser halten. Und vielleicht haut das ja auch hin mit dem Vorsprechen.«
    »Du hast recht. Tut mir leid.«
    »Außerdem kann ich mich auch an anderen Theatern bewerben. Es ist ja nicht so, als hätte ich nichts vorzuweisen …«
    In dem Moment, als er es ausspricht, wird ihm erst mal so richtig klar, dass ein neues Festengagement für ihn eigentlich nicht infrage kommt. Diese ewige Stadttheater-Tretmühle hat er satt. Aber ist eine Fernsehserie nicht auch eine Tretmühle, fragt er sich. Und gibt sich gleich die Antwort: Ja, aber eine neue, eine andere. Und eine, in der besser bezahlt wird.
    Eine Zeit lang schweigen sie sich an. Stefan würde gern etwas Nettes zu Anka sagen, aber alles, was ihm durch den Kopf geht, kommt ihm falsch und aufgesetzt vor. Er fragt sich, ob das nur eine der Krisen ist, durch die Paare nun einmal gehen und von denen Anka und er auch schonein paar mitgemacht haben, oder ob hier was in eine völlig falsche Richtung geht, und zwar endgültig. Er schließt kurz die Augen und schüttelt den Kopf. Das ist doch nicht mehr altersgemäß, diese ganze Beziehungskiste. Eigentlich müsste er Eheprobleme haben, irgendwas, das mit Kindererziehung, Schwiegermüttern, Hypotheken und Pflegschaftssitzungen zu tun hat, stattdessen fühlt er sich, als kaue er auf einem sehr alten Kaugummi herum, die Wangenmuskeln fangen schon an zu schmerzen.
    Im Hintergrund hört er jetzt jemanden auf Bayrisch fluchen, irgendwas mit Depp und damisch, also ist Anka nicht auf dem Weg zu ihm. Das hat er auch nicht wirklich geglaubt, denn durchgeknallt ist sie nun wirklich nicht, nur manchmal etwas nervig, aber wahrscheinlich nicht nerviger als Stefan selbst, und er fragt sich, wieso er immer noch nicht weiß, wie man in einer Beziehung an so einen Punkt kommt, einen, den er nicht mal richtig beschreiben kann, einen, an dem man sich wünscht, dass der andere wenigstens ein Arschloch wäre, das würde nämlich vieles leichter machen. Ach ja, denkt Stefan, die Welt ist zu gut, jedenfalls zu mir, warum nur bin ich kein Opfer, das man ehrlich bedauert.
    Anka sagt immer noch nichts.
    Stefan auch nicht. Er muss los. Omma Luise wartet.
    »Hör zu, Anka, ich muss den Bus kriegen.«
    Wieder etwas, das er nicht sagen wollte.
    »Aha, du musst den Bus kriegen, das ist natürlich wichtig, ich verstehe.«
    Es hört sich an, als würde sie nur mit Mühe Tränen unterdrücken, und er fragt sich, ob sie da nicht ein bisschen zu viel auf die Tube drückt, aber gleich darauf denkt er, dass er ihr ja nicht gleich das Schlechteste unterstellenmuss, nämlich, dass sie das alles nur spielt oder übertreibt oder was weiß ich denn, denkt Stefan. Wo sind die Zeiten hin, da man Frauen einfach schlecht behandeln konnte, ohne sich mies zu fühlen?
    »Ich bin mit jemandem verabredet«, sagt er, bevor ihm klar wird, dass so was ein Sprengsatz in Ankas Ohren sein muss.
    »Mit einem Mann oder einer Frau?«, fragt sie dann auch.
    »Mit einer Frau«, sagt Stefan und lässt das wirken. Er muss ja nicht mal lügen dafür.
    »Kenne ich sie? Diese eine?«
    Natürlich hat er ihr mal von Charlie erzählt, so wie man in jeder Beziehung Zeugnis ablegt von seiner Vergangenheit. Auch Anka packte daraufhin aus, von einer Abtreibung und einem, der sich nicht zuletzt ihretwegen umgebracht hat, und Stefan kam sich wieder so langweilig und normal vor, wie so oft, wenn er den anderen Schauspielerinnen und Schauspielern zuhörte. Ich bin so
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