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Sommerfest

Sommerfest

Titel: Sommerfest
Autoren: Frank Goosen
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Händedruck, für den die Familie Starek berüchtigt ist.
    »Wurde auch Zeit, dass du hier aufschlägst! Hab mich schon gewundert, dass du nicht bei der Beerdigung vom Hermann warst.«
    »Ging nicht.«
    »War auch gesünder. Ich hatte am nächsten Tag Kopp wie’n Rathaus. Ich weiß auch nicht, aber auf Beerdigungen wird immer gesoffen wie Sau.«
    »Vielleicht weil es für lau ist?«
    Toto guckt, als wäre das ein sehr interessanter Gedanke. »Ist ja auch egal«, sagt er dann. »Hauptsache besoffen! Wie lange warst du jetzt weg?«
    »Zehn Jahre, ungefähr.«
    »Guck mal, Omma, der Stefan!«
    Hinter dem Verkaufstresen sitzt tatsächlich Änne Starek, Tante Änne, in einem weißen Haushaltskittel, aus dem fleischige, weiße Oberarme herauswachsen. Ihre Wangen sind rot vor kleinen, geplatzten Äderchen, ihre Haare weiß und hinten zu einem Dutt zusammengeknotet. Dutt, denkt Stefan, noch so ein Wort, das ich ewig nicht gedacht habe.
    »Der kleine Zöllner!«, sagt Tante Änne, und ihre Stimme ist noch ein bisschen rauer, als sie früher ohnehin schon gewesen ist. Das hört sich nach Alkohol und Nikotin an,aber Tante Änne hat nie geraucht, ihre Stimme ist einfach durch fast ein Jahrhundert Benutzung so geworden.
    »Guten Tag, Frau Starek«, hört er sich sagen, und die alte Frau holt sich seine Hand über den Tresen und sagt: »Getz hör dich den an! Als das letzte Mal einer Frau Starek für mich gesagt hat, war der Adenauer noch Bundeskanzler gewesen. Außer auf dem Amt!«
    »Zu mir hat er Thorsten gesagt!«
    »Wie lange ist das jetzt her, dass du weg bist?«, fragt Tante Änne, und Stefan blickt an ihr vorbei auf die große, alte Langnese-Eistruhe, aus der sie früher aufstöhnend Domino oder Happen oder Nogger hervorholte. Daneben steht ein Regal, in dem sich Sekt-, Wein- und Schnapsflaschen drängeln, auch Plätzchen-, Chips- und Kaffeetüten sowie ein eigentlich gar nicht hierher passender Kaffeeautomat, der auf Knopfdruck offenbar Cappuccino und Latte liefert. Also ist die Neue Deutsche Kaffeekultur auch bei Tante Änne in der Bude angekommen.
    »Etwas mehr als zehn Jahre«, sagt Stefan noch einmal.
    »Kommt mir viel länger vor. Wo bist du denn hin?«
    »Mittlerweile wohne ich in München.« Wer als Erster Weißwurstäquator sagt, verliert, denkt Stefan.
    »Übern Weißwurstäquator?«, grunzt Tante Änne. »Die können uns Preußen doch nicht verknusen!«
    »Das geht schon.«
    »Und was machst du da?«
    »Mensch, Omma«, schaltet sich Toto wieder ein, »der Stefan ist doch Schauspieler geworden.«
    »Was isser?«, ruft Änne Starek und dreht ihr Ohr in Richtung ihres Urenkels. »Schausteller? Was ist das denn für’n Blödsinn? Bist du mit ’ner Geisterbahn unterwegs, oder was?«

    »Schau spieler, Omma!«, schreit Toto. »Wie der Heinz Rühmann!«
    »Ach was!«, ruft Änne Starek. »Muss man dich kennen?«
    »Nee«, sagt Stefan.
    »Theater, Omma. Der Stefan ist am Theater!«
    »Der Hannes Messmer war mal hier am Schauspielhaus. Da hatte ich ’ne Wahlmiete!«
    »Ja, so was macht der!«
    »Du bist doch immer mehr so ein Ruhigen gewesen«, sagt Tante Änne.
    Stefan fragt sich, wie er an seine Brötchen kommen soll. Da hinten liegen sie, goldgelb, in einem geflochtenen Korb. Drei Stück sind noch da. Mehr braucht er nicht.
    »Wo guckst du hin, Junge?«, fragt Tante Änne, die noch alles mitkriegt, das ist mal klar.
    »Ich habe nur die Kaffeemaschine da hinten bewundert.«
    »Das ist ein Dingen, was?« Tante Änne ist ganz stolz. »Muss man haben, heute. Man muss mit der Zeit gehen. Da drückst du einfach drauf, und dann kommt Kaffee raus!«
    »Du musst natürlich einen Becher drunterstellen!«, schreit Toto und lacht sich kaputt über seinen eigenen Witz.
    »Der hält mich für bekloppt!«, sagt Tante Änne ernst. »Was brauchst du noch Feinde, wenn du solche Verwandte hast! Willst du einen? Geht aufs Haus!«
    »Nee danke«, erwidert Stefan. »Ich bin jetzt auf dem Weg zu Omma Luise, da wartet schon einer auf mich.«
    »Wer nicht will, der hat schon!«
    So ein Heimaturlaub ist auf jeden Fall eine gute Gelegenheit, sein Reservoire an Floskeln aufzufrischen, denkt Stefan.

    »Aber heute gehst du nicht mehr ins Theater, was, Omma?«, reißt Toto das Gespräch wieder an sich. »Hier an der Bude hast du Theater genug, was, Omma?«
    »Das kannst du laut sagen! Hier ist immer was los. Nix wie Theater hast du hier den ganzen Tag!«
    »Erzähl doch mal«, ruft Toto, »von der Sache neulich!«
    »Ach, das war doch
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